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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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ist sowieso ein Wunder.«
    »Ich hätt es ja beschleunigt, aber die rothaarige Katze verteidigt ihn mit Zähnen und Klauen.«
    »Ich finde sowieso die dralle Blonde hübscher, aber die hat sich der Roteneck fürs Bett ausgeguckt.«
    Valentin runzelte die Stirn. Gab es etwa drei Geiseln?
    »An dem rothaarigen Drachen beißt du dir nur die Zähne aus.« Die Stimme lachte glucksend, und Valentin ballte die Fäuste.
    »Das ist eine Hexe«, sagte der andere. »Da bin ich mir sicher.«
    Valentin hatte genug gehört. Sie lebten noch, alle drei, auch wenn es bei Kilian fraglich war, ob er bis zum nächsten Morgen durchhalten würde. Mucksmäuschenstill schob er sich durch die offenstehende Eingangstür in den stillen, dunklen Gang.
    »Was war das?«, fragte einer der Wächter. »Warte!«
    Geistesgegenwärtig schlüpfte Valentin hinter die geschlossene Küchentür.
    Ein Holzstuhl rumpelte über den Fußboden. Als der Wächter die Tür öffnete, schlug er sie Valentin fast ins Gesicht. Dann durchquerte er den Flur und zog die Haustür auf, so dass ein Schwall kühle Luft hereinkam.
    »Hier ist nichts!«, rief er seinem Kumpan zu. »Aber ich schaue nach, ob der Knecht vom Vorderhaus wieder hier rumlungert.«
    Valentin huschte über den Flur und rettete sich aufs Geratewohl in ein Zimmer, das zum Glück leer stand. Neben einem Haufen Männersachen von guter Qualität prangte auf dem Bett ein frischer Blutfleck. Das musste wohl Rotenecks Absteige sein. Unbehaglich dachte er an die dritte Geisel. Doch dann nahm allen Mut zusammen, durchquerte den Gang und sperrte die Tür zum Hof zu.
    »Hier draußen schleicht keiner rum«, ließ sich der Wächter vernehmen. »Aber warte! Ich schaue noch im Vorderhaus nach.«
    Was auch immer Rotenecks Plan sein mochte, die Leute vom Vorderhaus waren sicher eingeweiht. Verräter unter den Patriziern von Esslingen, dachte Valentin geschockt. Schnell und leise wie der Wind lief er die Treppe hinauf. Im Gang im ersten Stock lagen drei Türen nebeneinander, doch nur eine davon war verriegelt. Er schob den Riegel zur Seite, holte tief Luft und öffnete.
    »Valentin!«
    Ihre Stimme war heiser und unglaublich erschöpft. Die langen, lockigen Haare hingen wirr um ihr blasses Gesicht, in das Schmerz und Hass ihre Schriftzeichen gemalt hatten, doch sie war ungebrochen. Einen Moment lang dachte Valentin, dass sie wirklich eine Hexe sein musste, dann lag sie in seinen Armen. In der Ecke saß das andere Mädchen auf einem Stuhl. Er kannte sie nicht, doch gegen ihr grün und blau geschlagenes Gesicht war Lena schön und heil. Und auf dem Bett lag still und weiß Kilian, dem Tode näher als dem Leben. Sein Gesicht war starr, die Augen geschlossen, die Nase schmal und spitz.
    »Er atmet noch«, sagte das fremde Mädchen.
    »Es ist ein Wunder, dass er bis jetzt durchgehalten hat«, flüsterte Lena und legte ihm die Hand auf die Stirn. Valentin hatte die Anzeichen bei den Pfründnern des Spitals gesehen. Wenn jemand gehen wollte, färbten sich die vom Fieber geröteten Wangen plötzlich hell, und es legten sich graue Schatten in sein Gesicht, die von der jenseitigen Welt kündeten.
    »Nein!«, schrie er und warf sich über Kilian, der keine Regung zeigte.
    Unter dem Fenster hörten sie den Wächter krakeelen und an der Eingangstür ruckeln. »He, mach keine Faxen und lass mich rein. Es wird langsam kalt.«
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit«, flüsterte das fremde Mädchen und stand auf. Sie erstarrte, als unten die Küchentür aufging und der zweite Wächter hinausstapfte. Die Schritte stoppten an der Haustür.
    »Nanu!«, schrie er.
    Einen Moment später hörten sie, wie er die Treppe hinaufpolterte.
    »Ich erledige das!« Valentin tastete nach seinem Werkzeug, öffnete die Tür und stand dem überraschten Raufbold gegenüber, der ihn um einen ganzen Kopf überragte. »Was tust …?« Er rammte dem Mann seinen Kopf in den Bauch und stieß ihn zum Treppenabsatz. Von dort fiel er rückwärts die Stufen herunter und blieb an ihrem Fuße bewegungslos liegen.
    »Schnell«, rief er. »Holen wir Kilian.«
    Das war schwieriger, als sie gedacht hatten, denn er war so schwer wie ein nasser Kornsack. Lena und Valentin zogen ihn hoch und hievten ihn vom Bett, wobei Lena fast unter dem Gewicht zusammenbrach.
    »Ich schaff das schon«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor und legte Kilians Arm um ihre Schultern. Unwillkürlich erinnerte er sich an den Tag, an dem Lena und Lionel ihn nach seinem Selbstmordversuch

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