Die Himmelsmalerin
der Franziskanerkirche angeboten. Für seine Ablöse hatte er eine erkleckliche Summe gezahlt. Aber die Mitarbeit in der Esslinger Werkstatt konnte sich für Konrad auch in anderer Hinsicht lohnen. Lionel lachte leise in sich hinein bei der Vorstellung, was Lena und der Freiburger Geselle sagen würden, wenn sich die Heiligenscheine und Haare der Figuren plötzlich mit Farbe füllten.
Wo war sie überhaupt? Suchend sah er sich um, doch da kam sie schon aus der Küche gestürzt, putzte ihre Hände hektisch an der Schürze ab und lag einen Moment später in seinen Armen. Es dauerte nur zwei Herzschläge, gerade lang genug, um den Muskatduft ihrer Haare einzuatmen, dann hörten sie Marthas Räuspern hinter ihrem Rücken und lösten sich voneinander. Seine Hand blieb noch einen Moment länger auf ihrem Rücken liegen und spürte die zarten Knochen unter dem Leinenhemd.
»Wo wart Ihr nur so lange?«, fragte Madeleine atemlos. »Und wer ist das da?«
Konrad grinste, und neigte den fülligen Körper. »Konrad Stocker, Glasmalergeselle«, stellte er sich vor.
»Es gibt genug Arbeit für drei«, erklärte Lionel.
»Ja, weil Ihr viel zu spät aus Eurem dummen Burgund zurückgekommen seid!« Sie drehte sich auf dem Absatz um und stiefelte in die Küche. Die Männer blieben auf dem Hof stehen, Konrad nickte sachte.
»Anstatt Maulaffen feilzuhalten, könntet Ihr mir mit den Kohlköpfen helfen!«, schlug Martha vor. Also packten die Männer mit an und luden den ganzen Karren ab, auf dem so viel Kraut gestapelt war, dass Martha damit locker eine Söldnertruppe durch den Winter bringen konnte. Sie versorgten die Pferde und gingen dann zum Abendessen in der Küche. Madeleine mied noch immer Lionels Blick.
Die Arbeit in der Werkstatt begann bei Morgengrauen. Konrad und Lionel sichteten die fertigen Fenster und berieten über das, was noch getan werden musste. Einige Fenster mit Motiven aus dem Alten und dem Neuen Testament standen noch an. Deren Ausführung übertrug Lionel dem Freiburger Gesellen. Zufrieden betrachteten sie dann die Ergänzungen und Hintergründe, die Lena ausgeführt hatte.
»Sie hat saubere Arbeit geleistet, die Kleine«, sagte Konrad. »Man sollte nicht unterschätzen, welche Wirkung von einem ordentlich gemalten Hintergrund ausgeht.«
»Ich habe ihr auch gezeigt, wie man Blatthintergründe ausradiert.« Lionel deutete auf das Pfingstbild, bei dem der blaue Hintergrund mit Schwarzlot bemalt gewesen war und Lena sorgfältig Akanthusblätter herausgearbeitet hatte. »Und sie wird noch viel besser werden.« Lionel zog den Engel hervor, der genauso auf den zweiten Brand wartete wie die meisten der Fenster für die Franziskanerkirche.
Konrad pfiff durch die Zähne. »Zeichnerisch eine wirklich gute Hand! Und die Flächengestaltung verrät ebenfalls Begabung.«
»Ja, und trotzdem will ihr Bräutigam es ihr verbieten.«
Konrad schüttelte den Kopf. »Ein Jammer! – Und was sagt die Zunft?«
»Die drückt ein Auge zu, solange nicht zu offensichtlich wird, dass ihr Vater nicht mehr arbeiten kann.«
»Hm«, machte Konrad. »Das Übliche also. Aber es wird sich doch wohl eine Lösung finden lassen.«
»Ich arbeite dran«, sagte Lionel.
Etwas später drückte sich Lena verlegen durch die Tür.
»Tut mir leid«, sagte sie und setzte sich schweigend an den Zeichentisch.
»Das macht nichts«, sagte Lionel großmütig. »Wir haben schon mal ohne Euch angefangen.«
»Wenn man wie Ihr die letzten Wochen in Burgund verbummelt hat, wird es auch höchste Zeit, endlich anzufangen«, entgegnete Lena schnippisch und erhitzte ein Schneideisen über dem Feuer. Ihre Augen funkelten, und ihre Haare sträubten sich über der Stirn wie bei einer gereizten Katze. Widerwillig gestand Lionel sich ein, dass er sie, wenn sie zornig war, mindestens ebenso anziehend fand, wie wenn sie lachte. Mit ihrer Lebensfreude hatte sie die Schale geknackt, die er in all den Jahren um sein Herz gelegt hatte. Er stand auf und berührte sie am Arm. »Wir sollten reden!«
Während Lena das Eisen beiseitelegte und sich zögernd erhob, tat Konrad, als würde er nichts bemerken, und pfiff bei der Arbeit weiter vor sich hin.
Lena folgte Lionel widerwillig in den Hof, wo er sie in eine Ecke nahe der Gartenmauer zog, die vom Haus aus nicht einsehbar war.
»Was ist mit Euch los?« Der Glasmaler blickte sie auffordernd an.
Lena stemmte ihre Hände in die Hüften und machte ihrem Zorn Luft. »Das fragt Ihr noch? Erst lasst Ihr mich wochenlang
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