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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorsichtig zu entspannen, trieb die Pferde aber nur zu noch größerer Schnelligkeit an, sodass der Wagen zwar über ebenen Boden dahinrollte, aber beinahe noch mehr schaukelte und ächzte als bisher. Ein Hund kam ihnen aus der Dunkelheit entgegen und rannte eine Weile kläffend neben dem Wagen her, und Arri wurde so heftig hin und her geworfen, dass sie ernsthaft befürchtete, vom Wagen zu fallen. Hätte die Fahrt auch nur noch einige Augenblicke länger angedauert, sie hätte ihrer Mutter möglicherweise gesagt, dass es keinen Grund für diese Hast gab und ihr alles gebeichtet.
    Dann jedoch war es so plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte. Die Lichter vor ihnen wuchsen immer rascher an und wurden zu einer Reihe erstaunlich großer und auch erstaunlich zahlreicher Fenster, wie Arri sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte und allenfalls aus den Erzählungen kannte, mit denen Lea Gebäude ihrer alten Heimat beschrieben hatte. Hinter ihnen glomm nicht nur roter Feuerschein, sondern es drang auch ein Durcheinander von Geräuschen und Gerüchen zu ihnen heraus. Es war so dunkel, dass Arri das dazugehörige Haus nicht einmal erkennen konnte, als sie unmittelbar davor anhielten, doch es musste sich um ein wirklich riesiges Gebäude handeln, denn obwohl der schwarze Umriss vor ihnen übergangslos mit der Dunkelheit des wolkenverhangenen Himmels verschmolz, konnte sie seine Größe schlichtweg spüren. In diesem Haus mussten nahezu so viele Menschen Platz haben wie in ihrem gesamten Dorf.
    Lea ließ den Wagen, zumindest auf dem letzten Stück, zwar ein wenig langsamer rollen, lenkte ihn aber so dicht an das Haus heran, wie es überhaupt nur ging, und sprang vom Kutschbock, noch bevor sie vollkommen angehalten hatten. Der Hund, der ihnen entgegengekommen war, war plötzlich wieder da und sprang kläffend auf sie los, doch noch bevor Arri auch nur wirklich Gelegenheit fand zu erschrecken, ließ sich ihre Mutter in die Hocke sinken und streckte den Arm aus, und aus dem wütenden Gekläff des Hundes wurde ein freudiges Winseln. Schwanzwedelnd legte er sich vor ihrer Mutter auf den Rücken und ließ sich von ihr Bauch und Hals streicheln. Offensichtlich kannte er sie, dachte Arri; oder es war der schlechteste Wachhund, von dem sie je gehört hatte.
    Wahrscheinlich angelockt vom Bellen des Hundes, öffnete sich eine niedrige Tür in dem Haus nur ein kleines Stück entfernt, und in dem flackernden, rotgelben Lichtschein, der herausdrang, konnte Arri eine gedrungene Gestalt erkennen. Ihre Mutter stand auf, hob grüßend die Hand und ging dem Mann entgegen, und auch Arri machte Anstalten, vom Wagen zu steigen, doch Lea hielt sie mit einer raschen Geste zurück. Arri gehorchte zwar, dachte sich aber ihren Teil - vielleicht war es mit der großen Freundschaft, die ihre Mutter angeblich mit den Bewohnern dieses Hauses verband, doch nicht so weit her; zumindest mit denen, die weniger als vier Beine hatten.
    Der Mann, der unter der Tür erschienen war - Arri konnte ihn gegen das rote Licht nur als gesichtslosen Schatten erkennen, aber sie sah immerhin, dass er sehr groß und von sehr massiger Statur war -, rief ihrer Mutter ein Wort in einer Sprache zu, die Arri nicht verstand, und Lea antwortete mit einem raschen Winken und einer Bemerkung in derselben Sprache, die Arri ebenso wenig verstand, die aber eindeutig scherzhaft klang. Der Fremde legte den Kopf schräg, und seine Haltung spannte sich ein wenig, dann aber schien er Lea zu erkennen. Er drehte den Kopf und rief irgendjemandem innerhalb des Hauses etwas zu, bevor er ihrer Mutter entgegenging. Arri konnte die Worte nicht verstehen, die sie miteinander wechselten. Und dennoch meinte sie aus dem Tonfall und den kurzen, abgehackten Sätzen herauszuhören, dass es sich kaum um die Wiedersehensfreude unter alten Freunden handelte, sondern eher um ein kühles Gespräch, bei dem sich ihre Mutter eher aufs Bitten als aufs Fordern verlegte, was ungewöhnlich genug war.
    Arri versuchte eine Weile, zumindest den Sinn des Gespräches zu erraten, gab es aber schließlich auf und riss ihren Blick von der Gestalt ihrer Mutter und des Fremden los, um das Haus näher in Augenschein zu nehmen. Auch jetzt, als sie ihm so nahe war, dass sie es fast hätte berühren können, war es wenig mehr als ein riesiger Schatten, der einen gut Teil des Himmels zu verdunkeln schien - oder verdunkelt hätte, hätte sie den Himmel sehen können. Den ganzen Tag über war es bewölkt und kalt gewesen, und

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