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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte er seine Waffe unter dem Umhang hervorzuzerren, aber er hatte die Klinge nicht einmal ganz aus dem Gürtel gezogen, als Leas Schwert regelrecht in ihre Hand zu springen schien. Arri sah weder, dass sie ausholte, noch wirklich den Hieb, mit dem die Klinge aufblitzte und den Mann so mühelos enthauptete, wie die Sense eines Bauern durch trockenes Stroh fährt. Der kopflose Torso führte die begonnene Bewegung noch fast zu Ende, als hätte der Leib, seines Gehirns beraubt, nicht begriffen, dass er längst tot war, und selbst das Schwert glitt noch ein gutes Stück weiter aus seiner Scheide heraus, bevor er ganz langsam in die Knie brach und dann nach vorn kippte. Der abgeschlagene Schädel prallte mit einem dumpfen Laut auf dem Boden auf und rollte davon wie ein hässlich bemalter Kürbis, den Mund zu einem Schrei geöffnet, der nie mehr über die Lippen kommen sollte. Noch bevor er gänzlich zur Ruhe gekommen war, stürmte Lea bereits auf Arri zu, während Targan einfach wie gelähmt dastand und aus hervorquellenden Augen auf den enthaupteten Leib zu seinen Füßen starrte.
    Arri versuchte, in die Höhe zu kommen, aber ihre Knie gaben einfach unter dem Gewicht ihres Körpers nach. Sie hatte keine Kraft mehr. Alles war vorbei. Sie war gerettet und in Sicherheit, und es schien, als sei diese Erkenntnis genug, um ihr den Zugriff auf die verborgenen Reserven zu verwehren, die ihr bisher die Kraft gegeben hatten, immer noch irgendwie weiterzumachen. Alles drehte sich um sie, und sie wäre vollends gestürzt, wäre ihre Mutter nicht mit wenigen, weit ausgreifenden Schritten neben ihr erschienen, um sie im letzten Moment aufzufangen.
    »Arianrhod!«, keuchte sie entsetzt. »Arianrhod, bei der großen Göttin - was ist geschehen? Wer hat das getan?« Sie ließ das Schwert fallen, schloss Arri in beide Arme und drückte sie einen Herzschlag lang mit solcher Kraft an sich, dass ihr der Atem wegblieb, dann schob sie sie auf halbe Armeslänge von sich, um sie anzusehen. In das Entsetzen auf ihrem Gesicht mischte sich jähe Wut. »Wer hat das getan?«, wiederholte sie. »Arianrhod, sprich! Was ist geschehen?«
    »Runa«, murmelte Arri. Tränen liefen ihr über das Gesicht, ohne dass sie es auch nur merkte. »Runa ist. ist tot.«
    »Runa ist.«, keuchte ihre Mutter. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Einen Herzschlag lang starrte sie Arri aus ungläubig aufgerissenen, fast schwarzen Augen an, dann drehte sie mit einem Ruck den Kopf und sah zu Targan. Der große Mann stand noch immer wie gelähmt neben dem enthaupteten Krieger, sah aber nun in ihre Richtung, und auch der Ausdruck auf seinem Gesicht begann sich ganz allmählich zu ändern. Aus ungläubigem Schrecken wurde Furcht, und dann etwas anderes, fast, als hätte er ihre Worte verstanden, obwohl das über die Entfernung hinweg schlichtweg unmöglich war. Vielleicht war das, was er in Leas Augen las, einfach zu eindeutig.
    »Bist du sicher?«, wandte sich Lea wieder an Arri. Ihre Stimme bebte, wurde schärfer. »Was ist passiert? Wer. wer hat das getan?« Sie machte eine Kopfbewegung zu Targan und dem Toten zu seinen Füßen hin, aber Arri konnte nicht antworten, nicht einmal mehr mit einem Nicken.
    Alles begann unwirklich zu werden. Die Stimme ihrer Mutter schien plötzlich wie von weit, unendlich weit her zu dringen, und ihr Gesicht begann sich vor ihren Augen zu verzerren. Sie verlor die Sinne, und sie konnte es spüren. Alle Kraft schien wie Blut aus einer klaffenden Wunde aus ihr herauszufließen, und eine sonderbar warme Dunkelheit griff nach ihren Gedanken und lullte sie langsam, aber auch unaufhaltsam ein. Aber sie durfte nicht ohnmächtig werden. Nicht jetzt. Sie musste ihrer Mutter sagen, was passiert war, und Targan.
    »Arianrhod!« Lea ergriff sie bei den Schultern und schüttelte sie. »Was ist passiert? Antworte!«
    Arri wollte es ja, aber sie konnte es nicht, und dann musste sie es auch nicht mehr.
    Die Tür, durch die sie gerade selbst gestolpert war, flog mit einem Knall auf und gegen die Wand, und ein brennender Mann stürmte herein.
    Es war, als hätte sie einen Blick direkt in den tiefsten Schlund der Hölle getan. Was sie sah, konnte nicht die Wirklichkeit sein! Der Mann war tot, vor ihren Augen verbrannt. und nun war er zurückgekommen, um sie zu holen und sie für das zu bestrafen, was sie ihm angetan hatte; vielleicht war es auch gerade anders herum, und die Unterwelt hatte ihn wieder ausgespieen, weil nicht einmal sie ihn haben wollte.

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