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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Doch trotz dieses Wissens verfehlte der Anblick des gewaltigen Tores, das sich scheinbar wie von Geisterhand bewegte, auch auf sie ihre Wirkung nicht völlig.
    Das Tor öffnete sich gerade weit genug, um sie und ihre beiden Begleiter hindurch zu lassen. Auf der anderen Seite empfing sie nichts Dramatischeres als eine sanft abfallende Grasebene, die nach ein paar Dutzend Schritten in einen Wald überging, dessen Bäume zwar so dicht an dicht standen, dass ein Durchkommen Arri beinahe unmöglich erschien, die zugleich aber allesamt auf seltsame Weise verkrüppelt aussahen, von niedrigem Wuchs und mit zu vielen, nahezu blattlosen Ästen, gichtig verkrümmten Fingern gleich, die die Dunkelheit im Innern des Waldes festzuhalten versuchten. Etwas wie ein eisiger Hauch schien von diesem Wald zu Arri herüberzuwehen, eine Kälte, die nichts mit den äußeren Temperaturen zu tun hatte und denselben Teil ihrer Seele berührte, der gerade schon vor dem Anblick der versteinerten Stadt zurückgeschreckt war.
    Sie schüttelte den Gedanken ab (oder versuchte es zumindest) und ließ den Blick in die entgegengesetzte Richtung schweifen. Auch dort erstreckte sich die Wiese ein gutes Stück weit, nun ebenso sanft ansteigend wie auf der anderen Seite abfallend. Trotz des schon fortgeschrittenen Morgens lag noch ein zarter Hauch von Raureif auf dem Gras, und Arri bemerkte, dass es von hier bis zur Kuppe des Hügels tatsächlich nur Gras gab und keinen einzigen Baum, keinen Busch, nicht einmal Unkraut, das nennenswert höher wuchs als das Gras - was nur bedeuten konnte, dass sich jemand mit großer Sorgfalt darum gekümmert hatte, dass das so war. Weiter oben auf der Hügelkuppe selbst erhob sich so etwas wie der große Bruder des Palisadenzaunes, den sie gerade durchschritten hatten: ein gewaltiges Gebilde aus mindestens dreifach mannshohen Baumstämmen, die ebenso sorgsam ausgesucht wie bearbeitet waren, denn sie alle waren ausnahmslos gerade gewachsen und von gleicher Höhe. Eine zweite, umfriedete Stadt aus versteinerten Häusern?, dachte sie. Ihrer Meinung nach machte das keinen Sinn.
    ... aber es macht auch keinen Sinn, sich unnötigerweise den Kopf darüber zu zerbrechen, denn der schmale Trampelpfad, auf den ihre Bewacher sie schoben, führte in fast gerader Linie zu diesem sonderbaren Bauwerk hinauf, sodass sie es in wenigen Augenblicken ohnehin aus nächster Nähe sehen würde. Wenn dies das berühmte Heiligtum von Goseg war, so stellte sein Anblick zumindest eine Enttäuschung dar. Seine schiere Größe war gewiss beeindruckend, aber letzten Endes war es doch nicht mehr als ein Zaun, wenn auch ein großer.
    Der Wind drehte sich, als sie die halbe Entfernung zurückgelegt hatten, und für einen Moment trug er ein leises, aber unverkennbares Durcheinander genau der Geräusche mit sich heran, die sie bisher vermisst hatte: menschliche Stimmen, Lachen, ein helles Klingen und Hämmern, aber auch den ganz schwachen Geruch von brennendem Holz und frischem Mist, bevor er sich abermals drehte und die Geräusche wieder mit sich davontrug. Erneut hüllte sie Stille ein, aber nun wusste sie wenigstens, wo all die Menschen waren, die sie bisher vermisst hatte. Auf der anderen Seite des Hügels musste es ein zweites, ganz offensichtlich bewohntes Dorf geben. Das Rätsel um all diese leer stehenden, steinernen Gebäude hinter ihr wurde dadurch eher noch größer, und obwohl sie sich wohl kaum auf dem Weg zu Menschen befanden, die ihr wohl gesonnen waren, hatte der Gedanke trotzdem etwas Beruhigendes.
    Vielleicht, weil sie das, was sie gerade gesehen hatte, so sehr beunruhigte.
    Auch aus der Nähe betrachtet, gab der gewaltige Palisadenzaun, der den Hügel krönte, sein Geheimnis nicht preis, falls er überhaupt eines hatte. Der einzige Unterschied zu der Umfriedung hinter ihr schien darin zu bestehen, dass es auch durch diesen Zaun einen Durchlass gab, aber offensichtlich kein Tor, sondern nur eine schmale Lücke zwischen den hoch aufragenden Stämmen, hinter der sich jedoch keine Gebäude zu befinden schienen, so weit Arri erkennen konnte, sondern anscheinend nur ein weiterer hölzerner Zaun. Eine sonderbare Konstruktion, die keinerlei Sinn zu ergeben schien und sie trotzdem an etwas erinnern wollte, ohne dass sie auch nur im Entferntesten hätte sagen können, woran.
    Ihre Begleiter ließen ihr jedoch keine Zeit, sich das riesige Bauwerk genauer anzusehen. Der gewundene Pfad, dem sie folgten, führte nicht direkt zu der Bresche im

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