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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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andere Art von Befestigung zu sehen. Dennoch war die mit Raureif überpuderte Ebene am Fuße des Hügels nicht leer. Neben ein paar windschiefen Schuppen schien ein gewaltiges Langhaus geradewegs aus dem Boden zu wachsen, und auf seiner anderen Seite, an zwei Seiten vom Wald begrenzt, erstreckte sich ein hölzernes Gatter, in dem ein Dutzend struppiger Rinder missmutig an hart gefrorenen Grashalmen zupften.
    Die Rinder wurden als Fleischvorrat für den Winter wohl auch dringend benötigt, denn in dem Langhaus fanden wahrscheinlich mehr Menschen Platz als in ihrem ganzen Dorf; und so, wie es sich anhörte, schienen sich auch jetzt mehr darin aufzuhalten. Das zertrampelte Gras und der aufgeweichte Boden vor dem Eingang machten klar, wie emsig das Kommen und Gehen hier sein musste. Natürlich war es schwer, so etwas zu schätzen, aber Arri nahm dennoch an, dass dieses ungewöhnliche Haus mindestens so groß wie Targans sein musste, wenn nicht größer, sich ansonsten aber vollständig von diesem unterschied, denn es hatte nur ein einziges Stockwerk, und seine Wände waren nicht aus Stein, sondern aus lehmverputzten Flechtwerkwänden erbaut. Das reetgedeckte Dach zog sich an drei Seiten fast bis zum Boden hinab, und mit Ausnahme eines einzigen Rauchabzuges, aus dem sich eine fast weiße Qualmwolke trotz des böigen Windes beinahe senkrecht in die Luft erhob, konnte Arri auch keine anderen Öffnungen erkennen und schon gar keine Gucklöcher oder Fenster.
    Dafür war die Schmalseite des Gebäudes, auf die sie von der Höhe des Hügels hinabsehen konnte, umso beeindruckender. Hier gab es Fenster, deren Größe über die Entfernung hinweg schwer einzuschätzen war, die aber nahezu mannshoch sein mussten und eine gewaltige Tür flankierten, breit genug, um einen Ochsenkarren hindurchzulassen, und fast doppelt so hoch wie ein groß gewachsener Mann. Eine solche Tür (von den Fenstern gar nicht zu reden), dachte Arri, machte überhaupt keinen Sinn, denn schließlich war es der Sinn eines Hauses, Kälte und Wind draußen zu halten und die Wärme drinnen, was bei so absurd großen Löchern in den Wänden eigentlich unmöglich war. Aber das war lange nicht alles, was an diesem sonderbaren Haus nicht stimmte.
    »Geh weiter«, sagte der Mann hinter ihr grob. »Der Hohepriester wartet auf dich, und er ist kein sehr geduldiger Mann.«
    Sie folgte der Aufforderung, kam aber nun auch ohne zu trödeln nur noch langsam von der Stelle. Der Hang war abschüssiger, als es von oben den Anschein gehabt hatte, und der weiße Schimmer auf dem Gras schien wohl doch nicht nur Raureif zu sein, denn sie hatte mehr als einmal das Gefühl, um ein Haar auszurutschen, sodass sie sich schließlich nur noch mit vorsichtigen kleinen Schritten bewegte und die Arme seitlich ausstreckte, um nicht zu stürzen. Als sie schließlich die grasbedeckte Ebene erreicht hatten, konnte Arri noch keine Worte verstehen, aber sie hörte das typische, an- und abschwellende Raunen einer großen Menschenmenge, die vergebens versucht, völlige Ruhe zu bewahren, dann und wann unterbrochen vom scharfen Tonfall eines Befehles, der aber allenfalls für einige wenige Atemzüge tatsächlich für Ruhe sorgte.
    Ihr Herz begann zu klopfen, als sie sich der gewaltigen Tür in der Schmalseite des Langhauses näherten, und obwohl sie nicht zu ihnen zurücksah, spürte sie doch, dass auch ihre Begleiter in zunehmendem Maße angespannter wurden. Aber wieso? Sicherlich war Nor ein mächtiger und gefürchteter Herrscher, bei dessen bloßem Anblick auch die Herzen noch viel tapfererer Krieger schneller zu schlagen begannen; aber diese beiden lebten hier und sollten eigentlich hinlänglich Gelegenheit gehabt haben, sich an seine Nähe zu gewöhnen. Wenn sie trotzdem so sichtlich beunruhigt waren, wenn sie zu ihm gingen, dann sagte das Arri eine Menge über Nor und die Art, auf die er seine Untertanen behandelte. Genau genommen sogar eine Menge mehr, als sie eigentlich wissen wollte.
    Erst jetzt fiel Arri auf, dass dieses gewaltige Langhaus nicht ebenerdig erbaut worden war, sondern auf einem wahren Wald halb mannshoher, armdicker Stützen stand, sodass Ungeziefer und die Kälte des Bodens im Winter es schwer hatten, in sein Inneres zu kriechen. Vier breite, aus nur flüchtig gehauenen Baumstämmen gefertigte Stufen führten zu der gewaltigen Tür hoch, die aus der Nähe betrachtet noch viel größer war, als Arri ohnehin geglaubt hatte. Auch die beiden Fenster rechts und links davon hatten

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