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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Palisadenzaun hinauf, sondern machte ein gutes Stück davor einen scharfen Knick nach links und verschwand dann auf der anderen Seite des Hügels, und je näher sie dem Zaun kamen, desto eiliger schienen es die beiden Männer auf einmal zu haben. Mehr noch als ihre plötzliche Ungeduld aber verrieten Arri die unruhigen Blicke und die plötzlich unsicheren kleinen Bewegungen und Gesten der beiden Krieger, wie unwohl sie sich in der Nähe des hölzernen Ungetüms fühlten.
    Arri blieb stehen und drehte sich ganz zu ihnen herum. »Wohin gehen wir?«, fragte sie mit einer Stimme, die zwar fest war, aber nicht so fest, wie sie es sich gewünscht hätte.
    Im ersten Moment glaubte sie, einen Fehler begangen zu haben, denn das Gesicht des Größeren der beiden verfinsterte sich, doch der andere antwortete in ruppigem Ton: »Geh weiter, und du erfährst es noch früh genug.«
    Er klang beunruhigt, fand Arri, mindestens ebenso beunruhigt wie sie selbst, und vielleicht sogar ein bisschen furchtsam. Statt seinem Befehl zu gehorchen, deutete sie zu der riesigen hölzernen Wand über sich und fragte: »Ist das. das Heiligtum?«
    »Ja, und jetzt hör auf zu reden und geh weiter«, antwortete der Mann unwillig. Arri entging nicht, dass sich sein Blick weiter verfinsterte, und sie beeilte sich, rasch weiterzugehen. Trotzdem nutzte sie die Gelegenheit, noch eine entsprechende Geste in die Richtung zu machen, aus der sie gekommen waren, und in bewusst beiläufigem Ton zu fragen: »Und was ist das da?«
    »Die Heilige Stadt«, antwortete der Mann widerwillig. »Nor und die anderen Priester wohnen dort, und.«
    »Schweig endlich still«, fiel ihm sein Begleiter ins Wort. »Was redest du überhaupt mit ihr? Du weißt, was Nor gesagt hat!«
    Arri wusste es nicht, aber es fiel ihr auch nicht besonders schwer, es sich zu denken. So, wie sie Nor einschätzte, hatte er den Männern wahrscheinlich erklärt, dass sie sich die Ohren zuhalten müssten, sobald sie auch nur den Mund aufmachte, damit sie sie nicht mit ihren Hexenkräften verzauberte.
    Dann aber begegnete sie dem Blick des Kriegers, und was sie darin las, war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hätte. Natürlich war der Mann sehr aufmerksam. Mehr als einer der zahllosen Fluchtpläne, die sie in der endlosen Zeit ihrer Gefangenschaft ersonnen hatte, fußten auf der Hoffnung, dass ihre Bewacher sie für geschwächt und verwirrt halten und somit unterschätzen würden, in welchem Fall sie die eine oder andere unangenehme Überraschung für sie bereit gehabt hätte.
    Aber das war ganz und gar nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Wenn sie etwas im Blick des dunkelhaarigen Mannes las, dann, dass er nicht nur ganz genau wusste, wer sie war und vor allem, wozu sie imstande war. Wenn überhaupt, dann würde dieser Mann sie allenfalls über- und nicht unterschätzen. Doch was sie wirklich erschreckte, das war etwas, was nur für einen ganz kurzen Moment in seinen Augen aufblitzte, gerade lange genug, bis er erkannte, wie deutlich sie ihm seine wahren Gefühle ansah, und den Ausdruck hastig aus seinem Blick verbannte.
    Es war nichts anderes als Mitleid.
    Der Anblick verstörte Arri so sehr, dass sie mitten im Schritt innehielt, den Mann anstarrte und erst weiter ging, als er ihr einen derben Stoß gegen die Schulter versetzte.
    Arri stolperte hastig vorwärts, und auf dem Gesicht des Mannes, der sie gestoßen hatte, erschien ganz kurz ein fast schuldbewusster Ausdruck, der aber ebenso rasch wieder verschwand wie der mitfühlende Blick, mit dem er sie zuvor gemustert hatte. Ohne den mächtigen Palisadenzaun zu ihrer Rechten auch nur mit einem einzigen Blick zu bedenken, scheuchte der Krieger sie vor sich her, dann hatten sie das gewaltige Gebilde halb umrundet, und Arri konnte sehen, was auf der anderen Seite des Hügels lag.
    Eigentlich war es schon eher ein kleiner Berg, der die Bezeichnung Hügel nicht mehr wirklich verdiente. Der Blick reichte von hier aus ungehindert und weit über das von einem nahezu geschlossenen Wald bedeckte Land, bevor er sich im Dunst des kalten Vormittages verlor. Ganz instinktiv sah Arri nach Süden, in die Richtung, in der sie ihr heimatliches Dorf wusste, und ein Gefühl abgrundtiefer Enttäuschung ergriff von ihr Besitz, als sie es nicht entdeckte. Dabei wusste sie doch, dass sie gut anderthalb, wenn nicht zwei Tagesmärsche von ihrer Heimat entfernt war.
    Sie senkte den Blick und war im ersten Moment verwirrt, keinen weiteren Palisadenzaun oder irgendeine

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