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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Bogen zu bauen. Ich wünschte, er wäre schon hier!«
    »Ja.« Zakaan nickte. »Das wäre gut.« Er zögerte, als er ein fernes Krächzen hörte. Über Urutark ballte sich so etwas wie eine dunkle Wolke zusammen – oder eher etwas wie eine riesige Faust, die jeden Augenblick zuschlagen und alles zerschmettern konnte, was ihr in den Weg kam. Aber darum konnte er sich jetzt nicht kümmern.
    »Wenn die anderen nicht im Lager sind«, sagte er hastig, »dann sind wir jetzt vielleicht die beiden einzigen Männer, die zur Verfügung stehen, um den Frauen Schutz zu bieten.«
    Der Junge zuckte zusammen, dann aber nickte er eifrig und lief ein paar Schritte zurück, um einen kräftigen Ast aufzunehmen, der fast größer war als er selbst – und ihn darum im Ernstfall wohl eher behindert hätte, als dass er zu irgendetwas gut gewesen wäre.
    »Ich werde die Frauen beschützten«, stieß er mit der Zuversicht hervor, die wohl niemand anders hätte verstehen können als ein anderer Fünfjähriger. Gegen seinen Willen musste Zakaan lächeln. »Lass uns erst einmal nachschauen, was geschehen ist, bevor wir uns mit Geschrei auf unsere Feinde stürzen!«
    Er stützte sich schwer auf seinen Stock und drehte sich zu dem Pfad um, den sie in den letzten Tagen in das hüfthohe Gras des Hangs getrampelt hatten, der nur von wenigen Bäumen bewachsen war. »Die Krähen der Götter«, murmelte er, schon wieder selbstvergessen und drauf und dran, sich in sich selbst zu verlieren. »Sie haben uns ein Zeichen gegeben.«
    »Was für ein Zeichen?«, fragte der Junge besorgt, während er seinen zu groß geratenen Schlagstock wie ein erbeutetes Tier hinter sich herzog.
    »Hast du es denn nicht gesehen?« Der Schamane warf einen kurzen Seitenblick auf den Jungen, der neben ihm stehen geblieben war und mit der Ernsthaftigkeit eines Kriegers ins Lager hinabblickte. »Es waren Krähen aus dem Osten und Krähen aus dem Westen. Sie hatten sich vereint. So wie wir uns mit unseren Ahnen vereinen sollen.« Er ballte die Hand zur Faust und öffnete sie so ruckhaft wieder, dass ein scharfer Schmerz bis in seinen Oberarm schoss. »Und dann haben sie sich wieder getrennt.«
    Der Junge runzelte die Stirn, als er angestrengt nachdachte. »Die Ahnen haben hier gelebt«, stellte er fest. »Und hier ist Westen?«
    Der Schamane nickte.
    »Und wir haben ganz weit entfernt dort gelebt …«, der Junge deutete in die Richtung, in der Morgen für Morgen die Sonne aufging, »und das ist Osten?«
    Wieder nickte der Schamane.
    »Dann sind wir in das Land der Urväter gekommen«, fuhr der Kleine fort, »und haben uns wieder vereint. Und dann …«, er schüttelte besorgt den Kopf, »haben wir uns wieder getrennt, so wie es die Krähen auch getan haben.«
    »Ja«, presste Zakaan hervor. »Und das ist ein Zeichen.«
    »Aber doch kein gutes Zeichen, oder?«
    »Nein«, murmelte der Schamane, »das ist kein gutes Zeichen. Aber was es genau bedeutet, das weiß ich noch nicht. Hilfst du mir, es herauszubekommen?«
    Bakan nickte eifrig. »Natürlich. Falls ich dir dabei überhaupt helfen kann.«
    Ja, falls, dachte Zakaan.
    Er kniff die Augen zusammen und suchte den Himmel ab. Doch so sehr er sich auch bemühte: Von den Krähen konnte er keine Spur mehr entdecken. Dafür spürte er, wie jemand an seinem Gewand zog, und als er hinabblickte, sah er in die großen Kinderaugen Bakans.
    »Aber was ich nicht verstehe«, begann der Kleine. »Warum sind die Krähen zu unserem Dorf geflogen?«
    Unser Dorf. Es klang sehr vertraut und hallte in seinem Kopf wie der Ruf einer fernen und glücklichen Vergangenheit wider. Das, was Ragok in aller Eile hatte errichten lassen, hatte kaum etwas mit dem gemein, was man gewöhnlich als Dorf bezeichnete. Und doch war es für Bakan schon viel mehr: Schutz und Heimat.
    »Die Götter wollten uns damit etwas sagen, mein Junge«, antwortete er. »Und so etwas tun sie nur ganz, ganz selten.«
    Ehrfürchtig nickte der Kleine. »Und was wollten sie uns sagen? Ich meine: Warum sind die Krähen zu unserem Dorf geflogen, und warum hat sich der Schwarm kurz davor geteilt?«
    Der Schamane zuckte mit den Schultern. Es war eine sehr gute Frage, die der Junge da stellte – eigentlich die einzig wichtige Frage, die man sich überhaupt stellen musste, wenn einem die Götter ein Zeichen sandten. Dabei war sie doch viel schwerer zu beantworten, als sich das diejenigen vorstellten mochten, die sich erwartungsvoll um einen Schamanen scharten und wie selbstverständlich

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