Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Wurm – oder was auch immer da rumgekrabbelt ist. Der hat doch im Hinterhalt gelegen! Der wollte bestimmt jemanden aus dem Hinterhalt niederschießen.«
»Ist mir vollkommen egal. Ich will an den Kerl nicht mehr denken. Und schon gar nicht, was mit ihm passiert ist.« Torgon beschleunigte abermals seine Schritte, jetzt lag Wut sowohl in seinen Bewegungen als auch in seiner Stimme. »Wir haben die Lichtung gefunden, verstehst du! Und nur darauf kommt es an. Endlich raus! Endlich eine Ruhepause! Endlich in Ruhe Wasser trinken, die Augen schließen! Alles andere zählt nicht.«
Lexz hatte dem Ausbruch nichts entgegenzusetzen, schließlich hatte er Mühe genug, mit Torgon Schritt zu halten. Ein Gefühl von Unwirklichkeit hatte ihn ergriffen. Er war auf dem Weg aus dem fürchterlichen Wald heraus, zerriss gerade die letzten grünen Bande, die ihn hier für immer hatten festhalten wollen, und er atmete die Luft, die nach feuchter Erde und Verwesung roch. Er war doch weit entfernt – irgendwo in der Vergangenheit, in der er ein festes Dach über dem Kopf und meist so viel zu essen gehabt hatte, dass längere Zeiten des Hungers auf die Wochen nach der Sonnenwende beschränkt waren, wenn die eingelagerten Lebensmitteln auszugehen begannen.
Das war in einer Zeit gewesen, als er und Isana sich als Kinder das erste Mal gefunden hatten, noch ganz scheu und vom Zauber des Unwirklichen umhüllt.
»Wir müssen schnellstens weiter, damit wir Isana endlich suchen können«, stammelte er. »Aber wo ist Ekarna?«
»Sie ist gleich vor uns«, beschied ihm Torgon ungeduldig, »und sie war es auch, die die Lichtung gefunden hat. Da gibt es keine Rankengewächse. Oder jedenfalls nicht viele. Und wenn nicht noch irgendetwas dazwischenkommt, können wir endlich wieder in Ruhe schlafen!«
Die Aussicht auf Schlaf war tatsächlich verlockend, und am liebsten hätte Lexz seiner Müdigkeit auf der Stelle nachgegeben. Aber das hätte er niemals gewagt. Seine Schritte wurden sicherer, als ihm nichts mehr zwischen die Füße kam, das mit gierigen Rankenfingern nach ihm griff, und dann durchbrachen sie auch den letzten, von Torgons Hammerschlägen beiseite gefegten, grünen Vorhang, der ihnen vielleicht noch hätte gefährlich werden können, und stolperten auf etwas hinaus, was nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit dem hatte, was Lexz für gewöhnlich als Lichtung bezeichnet hätte.
In Wirklichkeit war es eher der schmale Streifen eines Moors, der sich vor ihnen auftat, und der in weiterer Entfernung in etwas Graues, Nebelverhangenes überging, das eine Hügelkette –, aber auch schon wieder dichter Wald mit hochgewachsenen Bäumen und ineinander wuchernden Ranken – hätte sein können. Lexz musste sich eingestehen, dass sie sich endgültig verirrt hatten. Sie hatten in den letzten Tagen weder eine Spur von Larkar und Sedak gefunden, noch irgendeinen anderen Menschen zu Gesicht bekommen – von dem widerlichen Bogenschützen einmal abgesehen. Dabei hatte Lexz durchaus das Gefühl, dass sie ganz in der Nähe Urutarks waren.
Nein, das stimmte nicht. Es war schon mehr als ein Gefühl. Er glaubte die Anwesenheit von Menschen zu spüren, und die eines Wasserlaufes oder eines Sees. Vielleicht hatte Dragosz seine neue Siedlung dort gegründet. Aber vielleicht redete er sich das auch nur ein.
Sein Blick schweifte zu den teils üppig wuchernden, teils verdorrt wirkenden Büschen hinüber, die der schlüpfrig feuchten Erde Schatten spendete. Dazwischen aber war purer Sumpf, der allenfalls von kleinen Grasinseln und Steinansammlungen unterbrochen wurde – es gab jedoch keine grünen Ranken, die ihnen entgegenwucherten und sie umschlingen und mit sich in die feuchte Erde ziehen wollten, wie Lexz erleichtert feststellte.
Auf den zweiten Blick erkannte er allerdings, dass nicht der geringste Anlass zum Aufatmen bestand. Ganz im Gegenteil. Ekarna war nicht allein. Sie hatte gerade einen Mann an den Schultern gepackt – einen Krieger oder zumindest einen Jäger, in schmutziger Kleidung, von der kaum allerdings etwas zu erkennen war, weil sie mit einer Schlammschicht bedeckt war – und zog ihn an sich heran.
Lexz durchfuhr ein jäher Schreck. Was tat dieser Mann hier? Hörte der Wahnsinn denn überhaupt nicht mehr auf?
Torgon blieb gleich neben ihm stehen, riss seinen Hammer drohend empor und stieß ein Knurren aus. Wie er so dastand, sah er aus, als hätte er es allein mit einer ganzen Horde aufnehmen können. »Als hätte Dragosz einen
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