Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
rausziehen!«
Das entsprach zwar nicht ganz dem, was Lexz in Erinnerung hatte – aber wenn er ehrlich war, klang es beinahe noch zu harmlos. Ob es nun ein Dämon gewesen war, der auf ihm gelandet war, und ob das ein willentlicher Angriff oder nur ein dummer Zufall gewesen sein mochte: Das Gefühl, unter diesem kribbelnden und krabbelnden Etwas begraben zu werden, war schlimmer als alles andere, was er je zuvor erlebt hatte.
Mal abgesehen davon, auf eine Sumpfleiche herabzublicken, die wie lebendig aussah und ihn angrinste.
»Also pass bloß auf, Ekarna«, fuhr Torgon in besorgtem Ton fort. »Der Kerl, den du für tot hältst, kann jederzeit wieder lebendig werden!«
Ja, das war genau der Satz, den Lexz jetzt gebraucht hatte. »Der ist nicht lebendig«, sagte er – nein, eigentlich stieß er es in dem kläglichen Tonfall eines Kindes aus, dem man zum ersten Mal einen toten Fisch in die Hand drückte und das man dann anwies, ihn nun auszunehmen. »Der ist mausetot. Und um ganz sicher zu gehen, könnten wir ihn ja mit einem Schwert durchbohren.«
Unwillkürlich fuhr Ekarnas Hand zu ihrer Waffe, zog sie aber nicht. »Du glaubst doch wirklich nicht, dass dies hier ein Dämon ist, oder? Und dass der dann so einfach wie tot hier rumliegt?«
»Doch, genau das glaube ich.« Torgon starrte zu ihr hinüber, ohne sich zu rühren, und irgendetwas lag in seinem Blick, das Lexz gar nicht gefiel. »Ein Dämon, genau das ist er. Ich habe schon von so etwas gehört. Von Leichen, die seit einer Ewigkeit im Moor liegen und doch nicht wirklich tot sind. Die dann plötzlich wieder die Augen aufreißen – und die Kehlen der Menschen zerfetzen, die ihnen zu nahe kommen.«
Ekarna machte nun doch zwei, drei schnelle Schritte rückwärts, und in der gleichen Bewegung zog sie ihre Waffe.
Doch es war die falsche Entscheidung. Der Tote dachte gar nicht daran, aufzuspringen und über sie herzufallen, und wenn etwas Dämonisches an ihm war, dann allenfalls das, dass er sie erschreckt hatte und sie dadurch dazu brachte, sich in einer Umgebung kopflos zu verhalten, die eher ihre besondere Umsicht verlangt hätte. Also kam es, wie es kommen musste: Ekarna gab einen erschrockenen Laut von sich, als sie mit dem rechten Fuß einzusinken begann und es ihr trotz aller sichtbaren Anstrengung nicht gelang, ihn sofort wieder herauszuziehen.
»Schnell zu mir«, rief Torgon besorgt. »Aber Vorsicht: Der Sumpf ist tückisch. Ein falscher Schritt, und du wirst von ihm verschlungen!«
Bevor Torgon seinen Satz beendet hatte, schrie Ekarna bereits auf, und Lexz glaubte schon, sie sei inzwischen so tief eingesunken, dass er ihr zur Hilfe eilen musste – aber dann gelang es ihr doch, sich mit einem entschlossenen Sprung von der trügerischen Stelle zu lösen. »Wenn das Dämonen sind«, keuchte sie, während sich der Morast von ihren Schuhen löste und sie auf den Waldrand zulief, »dann sollten wir sehen, dass wir ganz schnell von hier wegkommen. Da liegt nämlich noch einer!«
Lexz schüttelte ungläubig den Kopf. »Wo liegt einer?«
Ekarna machte sich nicht einmal die Mühe, den Kopf in seine Richtung zu drehen, als sie hervorstieß: »Da, wo ich beinahe eingesunken wäre. Und wo jetzt Bodennebel aufzieht – der hier gleich alles verdecken wird, sodass man bald gar nicht mehr sieht, wo man hintritt. Und dann kommen wir hier auch nicht mehr raus!«
Lexz starrt ihr fassungslos hinterher. Er hättte lieber zusehen sollen, dass er von hier wegkam und Ekarna folgte. Aber es war mehr als nur Neugier, die ihn in die entgegengesetzte Richtung zog, es war der unbedingte Wunsch herauszubekommen, was hier eigentlich geschah. Der Nebel … ja, der Nebel kroch tatsächlich heran, von allen Seiten, und er war vor allem da besonders dicht, wo ihn eine reiche Feuchtigkeit von unten speiste. All das passte zusammen, es passte auch zu den Ranken, die sich wild verhalten hatten, und zu dem Toten mit der rosigen Gesichtsfarbe …
Lexz stürzte los, dorthin, wo sie angeblich gerade einen zweiten Dämon entdeckt hatte. Es war nicht die erste feuchte Fläche dieser Art, die ihnen in letzter Zeit zu schaffen machte: Moor- und Sumpfgebiete zogen sich oft unüberschaubar weit ins Land hinein, und sie zu umgehen war mitunter schwierig, manchmal sogar unmöglich. Entsprechend hatte er allmählich einen Blick für gefährliche Stellen entwickelt. Aber hier war alles anders. Graubraune Pflanzen, gewöhnlicher Erdboden, spärliche Grasinseln, Moos, Sumpfdotterblumen und andere
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