Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
retten können, Kleinodien, geheimnisvolle Substanzen, die zu heilen oder zu verderben verstanden: und das Wissen um die Himmelsscheibe. Eine uralte Weisheit lag in ihr verborgen, das Wissen um den Verlauf der Jahreszeiten, der in engem Zusammenhang mit dem immerwährenden Reisen des aufstrebenden Sonnengottes und der gütigen Mondgöttin stand, dem Sinnbild für den Herrscher und die Heilerin, wie es auch die Raker kannten.
    Die Himmelsscheibe war der Anker ihrer alten Kultur gewesen: Doch sie besaß sie nicht mehr. Nor hatte es nicht glauben wollen, und doch war es die Wahrheit.
    Alles, was sie besaß, war das Zauberschwert. Auf seinem Knauf hatte man ein wunderschönes Abbild der Himmelsscheibe eingelassen.
    »Es vermittelt eine Ahnung davon, welche Geheimnisse die Himmelsscheibe birgt«, hatte ihr Lea einst gesagt. »Aber mehr auch nicht.«
    Arri hatte sich oft genug den kleinen, zierlichen Schwertknauf angesehen, um zu wissen, dass ihre Mutter recht gehabt hatte. Es war beeindruckend und rührte ihre Seele, aber es würde keine Hilfe dabei sein, Urutark zu finden, die Urheimat sowohl der Raker als auch der Menschen, die in und um Goseg lebten.
    Und trotzdem war das Schwert einmalig, eine unfassbare Arbeit, weit von dem entfernt, was der Schmied der Flussleute zustande gebracht hätte – der nebenbei fast bei einer Explosion umgekommen war, als er versucht hatte, mit Leas Hilfe das geheime Material herzustellen, aus dem das Schwert gefertigt worden war.
    Ob Dragosz sie nur deshalb aufgenommen hatte? Ob er nur Liebe geheuchelt hatte, um an ihr altes Wissen zu kommen?
    Der Gedanke war plötzlich da, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Sie hing in ihren Fesseln, halb bewusstlos vor Erschöpfung und ohne zu wissen, wie es mit ihr weitergehen werde: Ob Amar sie mit nach Goseg nähme, oder ob man sie gleich hier richtete. Die Geräusche um sie herum waren zu einem dumpfen Mischmasch herabgesunken, und ob es hell war oder dunkel, dies nahm sie in der fensterlosen Hütte ohnehin kaum wahr.
    Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so schwach gefühlt wie in dieser sich scheinbar endlos dehnenden Zeitspanne. Und noch nie zuvor hatte sie an Dragosz’ Liebe gezweifelt. Warum dann ausgerechnet jetzt? Warum dieser schreckliche Verdacht, dass er sie nur hatte ausnutzen wollen?
    Vielleicht, weil es so nahe lag. Dragosz und ihre Mutter – sie waren vielleicht kein Paar im eigentlichen Sinne gewesen, aber sie hatten sich doch auf eine geheimnisvolle Weise gefunden, lange bevor Arri selbst mit Dragosz zusammengekommen war. Und das lag schon sehr lange zurück. Als Dragosz das erste Mal in den Westen gezogen war, um Urutark zu suchen, da hatte er statt seiner Urheimat Lea gefunden. Was auch immer die beiden miteinander verbunden hatte, es muss tief gegangen sein – und da war mehr als nur Zuneigung im Spiel gewesen.
    Vielleicht das Wissen, dass sie ein gemeinsames Geheimnis verband.
    Und inzwischen wusste Arri, dass es damals wohl schon eine andere Frau in Dragosz’ Leben gegeben hatte: Surkija, die Heilerin. Sie war zu diesem Zeitpunkt noch Ragok versprochen gewesen, aber Dragosz hatte sie wohl schon damals geliebt.
    Bislang hatte sie zwar jeden Gedanken daran vermieden, aber hier, in der Abgeschiedenheit der Hütte, in der Isolation, ganz auf sich allein gestellt, konnte sie sich dessen nicht mehr erwehren. Ihr Leben war an einem Tiefpunkt angekommen, und wenn nicht noch ein Wunder geschah, dann würde man ihr den Schauprozess machen und sie töten.
    Und wenn es nach Taru ging, würde Kyrill dies gewiss auch nicht lange überleben.
    Jetzt, am Rande ihrer Kraft und in der Gewissheit, dass nur noch ein Wunder sie retten konnte: Jetzt war der Augenblick gekommen, sich die Fragen zu stellen, die doch so offensichtlich waren. War Dragosz nur ein Mann gewesen, der mit den Frauen gespielt hatte, um in Wahrheit seine Macht zu mehren, seinen Bruder auszuschalten und die alleinige Herrschaft über sein Volk zu erlangen – um schließlich sogar gegen Goseg zu ziehen und die Vormachtstellung im ganzen Land zu übernehmen?
    Es gab keine Antwort auf diese Frage, jedenfalls keine, die von außen erfolgen konnte. Es gab nur das, was sie in sich spürte.
    Hatte ihr Abdurezak wirklich den Mann nehmen können, indem er den ewigen Bund zwischen ihr und Dragosz aufgelöst hatte? In dem Augenblick, da er es ihr gesagt hatte, hatte sie es zumindest geglaubt. Doch dieser Glaube begann sich schon zu verflüchtigen, je mehr sie sich

Weitere Kostenlose Bücher