Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
davon?
»Vielleicht gibt es ja noch ganz andere, die noch ein eigenes Interesse an unserem See haben«, brummte Kaarg missmutig. »Und wenn das so ist, dann sag deinen Freunden, dass sie sich eine kräftige Abfuhr holen werden, wenn sie uns angreifen wollen. Sag das, wenn du noch die Gelegenheit dazu hast!«
»Was denn für Freunde?«, fragte Arri verständnislos.
»Na die, für die du deinen Mann geopfert hast – von den anderen mal ganz zu schweigen.« Missmutig blickte Kaarg auf den beständig größer werdenden Wasserfleck, in dem er stand. »Was für ein Wetter. Immerhin verschafft uns das eine kleine Verschnaufpause.« Statt seine Worte zu erläutern, ruckte sein Kopf wieder hoch. »Du wirst für das büßen, was du getan hast. Aber nie wieder wirst du deine Heilkünste ausüben dürfen – wenn man das denn überhaupt so nennen kann, an dem du dich da versucht hast.«
Arri öffnete den Mund und schloss ihn dann gleich wieder. Was hätte sie zu diesen lächerlichen Anschuldigungen schon sagen sollen?
»Arri hat uns all die Zeit gut versorgt«, begehrte Isana, die entgegen ihrer Ankündigung noch keine Anstalten gemacht hatte, die Hütte zu verlassen, an Stelle ihrer Freundin auf. »Sie hat auch dich geheilt, als du im letzten Herbst mit heftigem Bauchgrimmen darnieder gelegen hast.«
»Bauchgrimmen?« Mit einer ärgerlichen Bewegung seines Armes löste der Alte einen kleinen Sprühregen aus. Daraufhin duckte sie sich wie eine Katze, die einen Schlag erwartet. »Hatten nicht vor drei Tagen noch viele von uns Bauchgrimmen? Lag das nicht daran, dass uns die Drude zuvor vergiftet hat?« Er wandte sich wieder an Arri. »Gesteh es doch: Auch im Herbst wolltest du mich schon aus dem Weg schaffen. Du hast mir irgendwas eingeträufelt, daraufhin wand ich mich in Krämpfen. Nur hast du die Rechnung ohne meine robuste Natur gemacht. Ich habe nämlich überlebt!« Er streckte seinen dürren Zeigefinger aus und stocherte vor ihr in der Luft herum. »Und sei es auch nur, um jetzt dafür zu sorgen, dass du deiner Strafe nicht entgehst.«
Erneut zerriss ein Blitz das Halbdunkel, nutzte jede kleine Lücke im Schilfdach, um gleißendes Licht hindurchzuschicken, und kurz darauf folgte ein Donnerschlag, der die Wände der Hütte zum zweiten Mal in kurzer Zeit zum Erzittern brachte.
Arri und Isana zuckten zusammen, der Alte aber riss seinen zahnlosen Mund auf und starrte nach oben, als wollte er denjenigen suchen, der den Blitz auf sie hinabgeschickt hatte. »Das ist schon ein bisschen unheimlich«, murmelte er so leise, dass er im aufkommenden Wind kaum zu verstehen war. »Fast so etwas wie ein Zeichen.«
Fast so etwas wie ein Zeichen? Arri hätte beinahe laut aufgelacht. Die Natur war zwar voller Wunder, doch es hieß, dass sich die Götter ihrer nur bedienten, um die Menschen zu strafen oder zu belohnen. Dem zweiten Blitz folgte kein weiterer mehr – jedenfalls noch nicht –, dafür aber raschelten die Schilfwände im Wind, als strichen dort die Geister der Toten umher, die vor drei Tagen unter qualvollen Schmerzen gestorben waren. Und als ihr Blick zum Eingang wanderte, glaubte sie zu sehen, wie dort jemand inmitten einer Nebel- und Dreckwolke Einlass begehrte.
Die Landschaft vor ihm veränderte sich. Es war zwar noch immer waldig hier, aber die Bäume standen nicht mehr so dicht und der Boden stieg stetig an. Mehrfach musste Zakaan großen Steinen ausweichen, die so aussahen, als hätten Riesen sie mit ihrer vollen Kraft in den Boden gerammt.
Ganz allmählich wurde der Schamane langsamer, und zunächst fiel ihm selbst dies noch nicht einmal wirklich auf. Doch dann schmerzten seine Beine spürbar, und seine Füße verloren die Trittsicherheit, die sie kurzfristig gewonnen hatten. Jeder Schritt verlangte nun wieder seine volle Aufmerksamkeit, und sein Atem fing an, rasselnd und schwer zu gehen, ganz so, wie es seinem Alter und seinem Gesundheitszustand eigentlich angemessen war. Als ihm sein Vater einst das Geheimnis des Lebenspulvers verraten hatte, da hatte er ihm seine Risiken keinesfalls verschwiegen.
»All die Kraft, die die Götter dir zu geben bereit sind, steckt in diesem Pulver«, hatte er gesagt. »Doch wenn seine Kraft verbraucht ist, dann ist auch deine Kraft an ihrem Ende. Du kannst dich davon wieder erholen, wenn du dich schonst. Aber du wirst nach der Einnahme des Pulvers nie wieder derselbe sein.«
Das war das Vermächtnis seines Vaters gewesen. Zakaan hatte seinen Rat befolgt und das Pulver in
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