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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Herz schlug hart und gleichmäßig. Von seiner Stirn stoben Schweißperlen davon.
    Die Schmach über das, was Dragosz seinem Vater angetan hatte, saß tief. Es war ein Schmerz wie der einer alten Verletzung, den man noch so oft bis an den Rand der Wahrnehmung verdrängen konnte, und der doch immer wieder hervorbrach: und dies meist dann, wenn man ihn am wenigsten erwartete.
    Sein Vater war ein harter Mann, der ihn und alle anderen so heftig antrieb, als hänge ihrer aller Leben davon ab, dass jeder Einzelne jeden Tag Höchstleistungen vollbrachte. Lexz hatte ihn oft verdammt und alles versucht, um seinen übertriebenen Anforderungen so weit wie möglich zu entgehen – was meist vergebens gewesen war, denn Ragok war nicht nur unerbittlich, er besaß auch das Geschick, jede noch so kleine Verfehlung oder Nachlässigkeit zu bemerken. Jetzt aber begann er zu begreifen, dass die Alte Geierkralle , wie ihn einige Frauen hinter seinem Rücken nannten, recht gehabt hatte.
    Die Dürre, die sie gezwungen hatte, ihre einst fruchtbaren Wiesen und Wälder zu verlassen, weil ihre Ernte vertrocknet und jeder Bach versiegt war, schien wie ein Fluch über sie gekommen zu sein. Sie hatten alles versucht, um in ihrer Heimat zu bleiben. Aber nachdem auch noch das letzte kümmerliche Bächlein ausgetrocknet war, die letzten saftlosen Beeren verzehrt und nicht nur der letzte Höhlenlöwe, der letzte Hase, sondern sogar auch noch das letzte Eichhörnchen erlegt worden war, wie er sich voller Ingrimm erinnerte, war ihnen gar nichts anderes übrig geblieben, als nach Westen aufzubrechen, dorthin, wohin ihnen die Stammväter den Weg gewiesen hatten.
    Lexz keuchte laut auf, als er sich an die Feuerwalze erinnerte, in die sie zu Beginn ihrer Wanderung hineingelaufen waren. Er sprang über einen Stein, der ihm im Weg lag, duckte sich unter einem ausladenden Zweig hinweg und schlug so hart mit der flachen Hand gegen den Stamm einer ausladenden Ulme, dass ein scharfer Schmerz durch seinen Unterarm jagte.
    In den ersten drei Tagen waren sie gut vorangekommen, aber dann war es nicht nur ein ständiger Brandgeruch gewesen, der ihm von Ferne in die Nase gestiegen war, sondern auch beißender Rauch. Sie hatten versucht, ihn so gut es ging zu umgehen, und Lexz erinnerte sich daran, wie auch damals schon eine Mutter neben ihrem fünfjährigen Kind zusammengebrochen war und sich nicht mehr rührte, als der Schamane sie an der Schulter gepackt hatte …
    Das war der Anfang vom Untergang gewesen.
    Lexz duckte sich unter einem ausladenden Zweig hinweg, und zwei, drei kleine bunte Vögel stoben auf und flatterten unter wildem Geschnatter davon, von einer großen schweren Amsel gefolgt …
    Der Anblick des schwarzen Vogels traf Lexz wie ein Messerstich. Er erinnerte ihn schmerzhaft an die Vögel, die am vierten Tag ihrer Wanderung über ihren Köpfen hinweggezogen waren: wie die Vorboten eines von den Göttern verhängten Strafgerichts. Zum Schluss waren es schwarze Vögel gewesen, dick und sattgefressen, die ihren Weg gekreuzt hatten, Raben , wie der Schamane erklärt hatte. Und als er dann einen mit einem Pfeil vom Himmel hatte holen wollen, war plötzlich der Schamane neben ihm gewesen.
    »Tu das nicht«, hatte Zakaan befohlen. »Raben sind Unglücksvögel.«
    »Dann ist es doch umso besser, wenn ich sie töte«, hatte Lexz widersprochen, und einen Pfeil auf die Sehne des kostbaren Bogens gelegt, den er damals noch besessen hatte.
    »Bei Ygdra, nein!« Der Schamane war ihm regelrecht in den Arm gefallen. »Wer einen Raben tötet, wird seines Lebens nie wieder froh werden!«
    Lexz hatte das für übertrieben gehalten, zumal ein paar fettgefressene Vögel vielleicht verhindert hätten, dass nach der jungen Mutter auch noch andere an Entkräftung zusammenbrachen – aber er hatte es nicht gewagt, Zakaan zu widersprechen. Der Schamane stand den Göttern näher als irgendein anderer – sein Wort galt.
    Dass die Raben tatsächlich gefiederte Unglücksboten waren, hatte er erst begriffen, als es fast zu spät gewesen war. Dabei war zunächst etwas geschehen, was er sich die ganze Zeit über gewünscht hatte, nachdem ihre Felder und Äcker verdorrt und ihre Teiche ausgetrocknet waren: Das Wild war zu ihnen gekommen, ohne dass sie sich hatten anstrengen müssen. Wie in der wilden Phantasie eines verzweifelten Jägers, der die Spuren von Rehen oder Wildpferden bereits seit Tagen vergeblich verfolgte, hatten sie plötzlich ein Hufgetrappel gehört, das direkt auf

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