Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
fürchterlichen Feuersbrunst geendet hätte, die wie ein unbarmherziges Strafgericht über sein Volk gekommen war, hatte selbst den immer fröhlichen Larkar schließlich zunehmend einsilbig gemacht. Und nun das! Wie recht hatte doch der Schamane mit seinen Ermahnungen gehabt, sorgfältig auf alle Zeichen der Götter zu achten, auf alles, was ihnen Wind, Wolken, Sonne und auch die Erde unter ihren Füßen sagen konnten, und dies sorgfältig mit dem abzuwägen, was die Ahnen von ihnen verlangten: das gelobte Land Urutark im reichen, satten und grünen Westen zu suchen.
Er hatte Dragosz verflucht, als sie bei ihrer Wanderung immer wieder durch Qualm und Rauch gezogen waren, bis sie geglaubt hatten, ersticken zu müssen. Er hatte seinen Namen hasserfüllt hervorgestoßen, als sein jüngerer Bruder Nakur vor Schwäche gestolpert war und sich nicht mehr hatte erheben können. Und er hatte vor Schmerz und Zorn gewimmert, als jener jämmerlich verendet war, obwohl sein Vater und er ihn tagelang durch eine Albtraumlandschaft getragen hatten, bis sie selbst die Kräfte verlassen hatten.
Dragosz!
Verdammnis über die Seele des Mannes, der ihm seinen Bruder genommen hatte!
Sein jüngerer Bruder war nicht der Erste gewesen, der auf ihrer großen Wanderung einen jämmerlichen Tod gestorben war, und schon gar nicht der Letzte. Die Umstände waren einfach gegen sie gewesen, und das vielleicht nur, weil sie viel zu viele Tage gezögert hatten, Dragosz zu folgen, und stattdessen ihr altes Leben hatten bewahren wollen. Dafür waren sie von den Göttern bestraft worden, als seien sie die Sünder, und nicht der, der die Werte ihrer Gemeinschaft in den Dreck getreten hatte.
Tagelang hatten sie verkohlte Tierkadaver vorgefunden, verbrannte Siedlungen und entstellte Leichen – aber nichts Essbares und nur selten brackiges, kaum genießbares Wasser. Als sie dann Tage später mit dem ersten Grün auch auf die ersten lebenden Menschen gestoßen waren, war schließlich das entbrannt, was ihr Leben von da an bestimmen sollte: der Kampf um jagdbares Wild, um Fischgründe und Kornkammern. Hitze und Dürre waren ihnen dabei wie ein mordlüsternes Bruderpaar gefolgt, und so sehr es sie auch beschämen mochte: Im Überlebenskampf waren sie selbst zu Mördern und Totschlägern geworden.
Sie waren keine Eroberer, die kamen, um zu verheeren und zu töten: Aber es war ihnen seit dem letzten Sommer kaum etwas anderes übrig geblieben, als sich wie Barbaren zu verhalten, wenn sie ihre Familien schützen wollten. Der Winter war hart gewesen, und von den drei Frauen, die Kinder zur Welt gebracht hatten, waren zwei gestorben. Von den Kindern aber hatte kein einziges überlebt.
Wachsende Wut, brodelnder Hass, das war die einzige Reaktion, die Dragosz dafür verdient hatte. Er hatte seinem Vater alles genommen, und damit auch allen, die zu ihm gehalten hatten. Als Jüngstgeborener war es sein Recht gewesen, die Führung über sein Volk zu übernehmen – doch seinem mehr als zehn Sommer älteren Bruder hätte ein Platz an seiner Seite gebührt. Schlimmer noch, es hatte eine alte Verabredung zwischen Ragok und Dragosz gegeben, die Raker gemeinsam in bessere Zeiten zu führen. Dragosz hatte diese Verabredung wie einen alten, trockenen Zweig gebrochen. Er war zu keiner gemeinsamen Lösung durch eine Vermittlung des Ältestenrates und des Schamanen bereit gewesen. Er hatte noch nicht einmal zu verstehen versucht, warum sein Vater und ein Großteil ihres gemeinsamen Volkes nicht mit ihm ziehen wollten. Er war auch zu keiner Geste der Demut oder gar der Einsicht bereit gewesen. Und damit hatte er indirekt sogar das Todesurteil über seinen Neffen Nakur gefällt, den einzigen Bruder von Lexz, mit dem er sich stärker verbunden gefühlt hatte als mit jedem anderen Menschen.
Dafür verdiente er die härteste Strafe, die die Stammväter für diese Fälle vorgesehen hatten.
Den Opfertod.
Ein Zweig peitschte in Lexz’ Gesicht, dann riss der Ausläufer eines Astes einen blutigen Streifen in seine Wange, und nur wenige Schritte weiter drohten sich seine Füße in einem Dornengebüsch zu verfangen. Keuchend hielt er an. Der Bereich des Waldes, in den er gerade wie besinnungslos gelaufen war, wirkte dichter und dunkler als der Teil, den er vor der Lichtung durchquert hatte. Das war gar nicht gut. Immer wieder hatte der Schamane von ihm verlangt, er solle sich nicht von seiner Wut zu etwas hinreißen lassen, was er später bereuen konnte.
Es wurde Zeit, dass er zur
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