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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kann sich dann niemand unbemerkt an uns anschleichen.«
    »Aber warum?«, hatte sie gefragt. »Warum sollte uns überhaupt jemand angreifen?«
    Dragosz hatte sie nur ruhig angesehen, und Arri erinnerte sich noch heute daran, dass er dann ganz leise gesagt hatte: »Begreifst du denn nicht, wie unglaublich wertvoll der See und seine Umgebung ist? Hast du nicht gesehen, wie weit sich die Felder einst erstreckt haben, und das auf bestem Ackerboden? Und sind dir die Überreste der Koppeln ganz entgangen, auf denen man Vieh gehalten hat?«
    »Natürlich habe ich all das auch gesehen«, hatte sie genauso leise zurückgeben. »Und deswegen habe ich geglaubt, dies hier sei Urutark – das Land eurer Prophezeiung.«
    »Vielleicht ist es das ja auch«, antwortete Dragosz leise, »aber nur, wenn wir es dazu machen.«
    Arri hatte damals nicht verstanden, warum er dabei nicht fröhlich oder zumindest hoffnungsvoll ausgesehen hatte. Sein Blick hatte sich aber ganz im Gegenteil getrübt, und sie hatte das Gefühl gehabt, er blicke weit zurück – vielleicht in das Land seiner Ahnen, die ihm aufgetragen hatten, sein Volk aus Hungersnot und Dürre in ein reiches Land zu führen, in das Land der alten Prophezeiungen, eben nach Urutark.
    »Dieser See und seine Umgebung – es ist Urutark«, so hatte er gesagt. »Und deswegen macht es mir Angst.«
    Arri war zusammengezuckt. Sie erinnerte sich noch ganz genau daran. Dragosz und Angst? Das passte so wenig zusammen wie Sommer und Winter. Und das war auch nicht das Einzige, was sie erschreckte. Es war sein Gesichtsausdruck, und dann seine Stimme. Er sah plötzlich viel älter aus, und seine Stimme hatte geklungen wie die von Abdurezak, wenn er mit großer Besorgnis über die Gefahren eines lang anhaltenden Winter sprach, und über seine Sorge, dass sie alle zusammen verhungern könnten, wenn kein Wunder geschah.
    Dragosz war in diesem Augenblick nicht mehr Dragosz gewesen, da war sie sich auch nach all der Zeit noch ganz sicher. In diesem Augenblick hatte sie in das Gesicht eines alten Mannes geblickt, in das eines Weisen, eines Ältesten – in das eines der Stammväter von Dragosz, der seinem Geschlecht in früherer Zeit aufgetragen hatte, das Volk der Raker aus allen Gefahren heraus in ein neues Land zu führen.
    »Dies hier war schon immer ein reiches Land«, fuhr Dragosz in der gleichen ungewohnten Art fort. »Und wer viel hat, dem wird auch viel geneidet. Ich weiß nicht, warum hier zurzeit niemand wohnt. Aber ich habe im Schlick Skelette liegen sehen – und nicht weit entfernt die Überreste eines Steinbeils. Etwas, das einmal ein Speer gewesen sein könnte. Du weißt, was das heißt.«
    »Du meinst, um das Land hier wäre früher gekämpft worden?«, fragte Arri unsicher, »und dass man auch uns angreifen könnte?«
    »Nein.« Dragosz’ Stimme klang ungewohnt ernst. »Ich meine es nicht nur. Ich weiß es ganz sicher.«
    »Aber die Menschen hier … ich meine, die Menschen, die hier früher gelebt haben. Sie sind doch freiwillig gegangen?«
    »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.«
    »Aber natürlich sind sie freiwillig gegangen«, beharrte Arri. »Sonst würden doch jetzt andere Menschen hier leben!«
    Dragosz zuckte mit den Schultern. »Das … kann ich mir auch anders vorstellen.«
    »Aber wie?«
    Dragosz war einen Schritt zurückgetreten. Er hatte auf den See hinausgestarrt, der sich im Licht der untergehenden Sonne blutrot gefärbt hatte. Wie kraftvoll er dabei ausgesehen hatte, so stark und männlich – und doch auf seine ganz eigene Weise verletzlich.
    Schließlich hatte er sich aber wieder zu ihr umgedreht.
    »Und was ist, wenn sie zurückkommen?«, flüsterte Dragosz. Er hatte Arri hart an den Armen gepackt. »Was ist, wenn die alten Siedler zurückkommen? Und vielleicht sogar in Begleitung meines Bruders?«
    »Aber … ich glaube nicht …«
    »Du glaubst nicht, dass Ragok kommen wird.« Dragosz nickte. »Aber das wird er. Verlass dich darauf. Und dann wird es zu dem Kampf zwischen uns beiden kommen, den wir vielleicht schon früher hätten austragen müssen.«
    Dann hatte er etwas getan, das Arri noch mehr erschüttert hatte als alles andere zuvor: Er hatte sich zu ihr hinabgebeugt und sie so ungestüm in die Arme genommen und gedrückt, als wolle er sich für die ganze Ewigkeit von ihr verabschieden.

Kapitel 5
    Ekarnas Warnung kam zwar rechtzeitig, aber Lexz war einfach nicht schnell genug. Bevor er sein Schwert aus der ledernen Rückenhalterung reißen konnte,

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