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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Deckung kommen von inneren Bildern mit äußeren Objekten und ihrem Verhalten zu deuten ist. Die Möglichkeit des Verstehens zeigt aufs Neue das Vorhandensein regulierender typischer Anordnungen, denen sowohl das Innen wie das Außen des Menschen unterworfen ist.«
    Mit den »typischen Anordnungen« meint Pauli das, was bei C. G. Jung »Archetypus« heißt. Der Archetypus erlaubt es, die tiefen Beziehungen zwischen der menschlichen Seele und der real gegebenen Materie herzustellen, ohne die wir gar nicht in der Lage wären, Begriffe zu erfi nden, die auf die Natur passen. In diesem Bild treten die physikalischen Gesetze als äußere und die Begriffe als innere »Projektionen« archetypischer Qualitäten auf. Erkenntnis kann gelingen, nachdem die menschliche Wahrnehmung äußere Formen in innere Bilder verwandelt hat (dies könnte die ursprüngliche Bedeutung von Information sein). Diese treffen anschließend auf andere innere Bilder, welche wie die platonischen Ideen als Vorgabe für den Menschen existieren und seinen Erkenntnishorizont definieren. Die Übereinstimmung zwischen den beiden Bilderströmen ist möglich, weil sie eine gemeinsame archetypische Ebene haben, von der sie ausgehen.
    Pauli beharrte auf der skizzierten »Wesensidentität von Innen und Außen«, wie sie im Übrigen auch bei Goethe zu finden ist. Dem ist sie offenbar selbstverständlich, denn Goethe meint: »Nichts ist drinnen, nichts ist draußen, denn was innen, das ist außen« ( Epirrhema ). Pauli stuft die Übereinstimmung der inneren und äußeren Sphäre »als die bleibende Wahrheit hinter jeder Ontologie« ein, die das »Ziel aller Wissenschaft bleiben« muss. Das Aufregende seiner eigenen wissenschaftlichen Entwicklung bestand für ihn darin, dass mit der Quantenmechanik »ein allererster, noch recht kleiner Schritt unserer abendländischen Naturwissenschaft in Richtung auf eine solche Mitte getan ist«. Dieser Schritt, so hebt er hervor, bestehe in der Abkehr der Theorie »von der gewöhnlichen Kausalität im engeren Sinne und ihrem Miteinbeziehen des Beobachters in eine symbolische Wirklichkeit«.
    Die Quantentheorie ist also auch aus vielen philosophischen Gründen etwas völlig Neues, wie Pauli zu betonen nicht müde wird: »In der Quantenmechanik wird sich der Physiker zum ersten Mal bewusst, dass er nunmehr auch ›natura naturans‹ spielt (dass er ›schaffendes Naturprinzip‹ und nicht nur geschaffene Natur [natura naturata] ist) – kein Wunder, dass es erst einmal schiefgeht – denn aller Anfang ist schwer.« Das »Schiefgehen« bezieht sich vor allem auf die Schwierigkeiten, die zahlreiche Physiker wie zum Beispiel Einstein mit der Quantenphilosophie hatten, wobei Pauli in dessen Fall eher grob von »neurotischen Missverständnissen« spricht, völlig ungerührt davon, dass Einstein nur gut über Pauli gesprochen und ihn sogar als seinen »geistigen Sohn« bezeichnet hat. Trotzdem: Die genannten Anfangsschwierigkeiten scheinen sich lange gehalten zu haben und erst in späten Tagen des 20. Jahrhunderts in ein erstes »Gelingen« überzugehen. Dann nämlich, als die Antwort gefunden war, die Physiker heute auf die Frage geben, wie denn das wirklich Unteilbare (Elementare) im Innersten der Dinge zu seinen Eigenschaften kommt, oder anders formuliert, wie denn ein Elektron Masse und Ladung (und mehr) haben kann, wenn es ein Gebilde ohne jede Teile ist? Nach dem letzten Stand der Dinge werden solche Eigenschaften, die man aus dem Inneren erwartet, durch das Außen, welches sich durch Wechselwirkungen bemerkbar macht, erklärt. Die Welt formt etwas, von dem sie zugleich selbst geformt wird. Die physikalische Natur ist natura und naturans zugleich. Innen und Außen fügen sich dem Wesen nach zusammen. Kurz: Die Welt ist ein Ganzes, und die Physiker gehören dazu – genau wie Pauli gesagt hat.

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Werner Heisenberg (1901–1976)
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Das selbstvergessene Genie mit tausend Talenten
    Werner Heisenberg war kreativer und ehrgeiziger als alle anderen Physiker seiner Generation. Er war ein Mann von beneidenswerten Talenten. Er wusste von frühester Jugend an spielerisch leicht die Werkzeuge der Mathematik handzuhaben, spielte konzertreif das Pianoforte, beherrschte die klassische Klavierliteratur umfassend, konnte scheinbar mühelos fremde Sprachen erlernen – in kürzester Zeit war er zum Beispiel in der Lage, Vorträge auf Dänisch zu halten – und zeigte ungewöhnlich gute Qualitäten als Skiläufer in schwierigen Abfahrten

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