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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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ihnen zweifelte, das wusste sie, trotzdem ging sie in das Zimmer mit dem Kachelofen, zog das Telefonbuch, Band A - H, aus einer Schublade hervor und schlug es auf.
    »Homberg, Kurt« fand sie unter der Adresse, zu der sie ihm heute Mittag gefolgt war. Kurt hieß er also. Homberg gefiel ihr besser. Sie würde ihn weiterhin so nennen.
    Mit klopfendem Herzen griff sie zum Telefon und wählte die siebenstellige Nummer. Es klingelte einmal, es klingelte zweimal, es klingelte dreimal, und als sie schon aufgeben wollte, nahm er endlich ab.
    »Homberg?« Seine Stimme klang weise. Weise und etwas matt.
    »Entschuldigen Sie die Störung, aber könnte ich bitte Ihre Tochter sprechen?«
    Am anderen Ende der Leitung gab es eine irritierte Pause. »Ich habe keine Tochter.«
    »Oh, entschuldigen Sie, dann ist es wohl Ihre Frau.«
    Sie hörte ihn leise lachen.
    »Sie schmeicheln einem alten Mann, aber ich bin seit fünf Jahren Witwer.«
    »Dann ist es vielleicht eine Studentin, die bei Ihnen wohnt?«
    »Was soll das? Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Die Stimme klang jetzt ein bisschen ärgerlich. »Hier wohnt keine Frau. Keine junge, keine alte, gar keine. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Leben Sie wohl.«
    Sie drückte den Hörer an ihre Brust. »Doch, mein Homberg«, flüsterte sie in die gekappte Leitung, »du hast mir geholfen. Sehr sogar.«

    »Das ist ja hocherfreulich, dass Sie den weiten Weg in den fünften Stock noch gefunden haben.« Doktor Olaf Wössner
legte beide Arme auf die Lehnen des massiven Lederthrons, den er von Robert Konrad geerbt hatte, und lächelte sauer.
    Kyra hockte vor seinem Schreibtisch wie ein zur Unzeit geweckter Nachtvogel, dessen gesamte Konzentration der schwierigen Aufgabe galt, nicht von der Stange zu fallen.
    »Was gibts?« Ihre Stimme klang wie Schmirgelpapier. Sie hatte grauenvoll geschlafen in der letzten Nacht.
    »Jenny Mayer war heute Morgen bei mir.«
    »Und?« Sie gähnte. Vielleicht war es auch ein Stöhnen. »Hattet ihr Spaß miteinander?«
    »Ich bitte Sie, solche Scherze zu unterlassen.«
    Kyra blinzelte ihn verwirrt an. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass Olaf Wössner sie - wie alle anderen ehemaligen Duz-Kollegen - siezte, seitdem er zum Chefredakteur aufgestiegen war.
    »Dieser Vorfall gestern auf dem Friedhof war ein Skandal.«
    Kyra zuckte mit den Achseln.
    »Wie kommen Sie dazu, auf der Beerdigung unseres verstorbenen Chefredakteurs eine handgreifliche Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen.«
    »Mein Gott, die soll sich mal nicht so haben. Das war doch gar nix. Die hat noch nicht erlebt, wie es ist, wenn ich eine handgreifliche Auseinandersetzung vom Zaun breche. - Würd ich mir übrigens patentieren lassen, die Formulierung.«
    Wössner schnaubte ärgerlich. »Das hier ist Berlin und nicht Texas. Ich habe das starke Gefühl, dass Sie in letzter Zeit jeglichen Maßstab verlieren.«
    Mit spitzen Fingern fasste er nach der Zeitung, die bereits aufgeschlagen auf seinem Tisch lag. Kyra erkannte, dass es der Morgen vom vorletzten Mittwoch war.
    »Blut und Bodenreiniger«, las er laut vor. Er ließ das Blatt sinken. »Sind Sie der Ansicht, dass dies ein adäquater Titel
für den Bericht über die Todeshintergründe unseres ehemaligen Chefredakteurs ist?«
    »Natürlich bin ich das. Sonst hätte ich ihn ja nicht gewählt.«
    »Ihr Hang zu Outriertem ist mir schon länger bekannt, aber diesmal sind Sie einen Schritt zu weit gegangen. - Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade Ihren Mann geköpft«, deklamierte er weiter. »Was tun Sie als Nächstes? Versuchen Sie, die Leiche verschwinden zu lassen? Greifen Sie zum Telefon, um die beste Freundin um Hilfe anzuflehen? Rufen Sie die Polizei? Nein. Nichts von alledem. Sie greifen zu Ajax und Scheuerlappen und beginnen zu putzen. - Was soll das?« Angewidert ließ er die Zeitung auf seinen Schreibtisch fallen.
    »Das ist der wunderbare Anfang eines wunderbaren Artikels.«
    »Darüber kann man sehr geteilter Meinung sein.«
    »Findest du« - Kyra fing den pikierten Blick auf, den Wössner ihr zuwarf - »finden Sie es nicht eine hochspannende Frage, wieso eine Frau, die gerade ein gewaltiges Blutbad angerichtet haben soll, als Nächstes einem Putzrausch verfällt?«
    »Es ist irrelevant, ob ich diese Frage spannend finde, jedenfalls sind die Spekulationen, die Sie in diesem Artikel anstellen, vollkommen haltlos.«
    »Wieso?«
    »Ich halte es nicht für nötig, das hier jetzt im Detail zu diskutieren, aber Ihre

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