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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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begonnen. Atemlos zwängte sich Kyra durch das Festwochenpublikum, das wie ein kultiviertes Bienenvolk in Richtung Saal summte.
    Endlich, von einer Galerie aus erspähte sie die vertraute Halbglatze in Grau. Eine Etage tiefer lehnte Franz an einem Stehtisch - im angeregten Gespräch mit Nike Schröder. Gegen den Bienenstrom arbeitete sich Kyra die Treppe hinunter. Als sie unten ankam, hatte Franz seinen Stehplatz aufgegeben. Sie fasste ihn am Jackenärmel, bevor er eine andere Treppe hinauf in den Saal verschwand.
    »Kyra. Was machst du denn hier?« Die Verblüffung war echt.
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Jetzt?« Eine Falte, tief wie der Andreas-Graben, zeigte sich auf Franz’ Stirn.

    »Ja.« Kyra bemühte sich, nicht hysterisch loszuschreien. »Es ist dringend.« Trotz Eisberg im Hals gelang es ihr, Nike Schröder ein flüchtiges »Hallo« zuzuwerfen.
    Die Kleine lächelte freundlich zurück. »Wie schön. Wollen Sie auch mit ins Konzert kommen?«
    »Nein, nein.« Kyras Blick rutschte auf den Boden.
    Franz tippte seiner Begleiterin leicht an den Oberarm. »Möchten Sie vielleicht schon mal reingehen? Warten Sie, ich gebe Ihnen Ihre Karte, hier.« Er riss die beiden Karten auseinander und reichte die eine an Nike. »Ich komme sofort nach.«
    »Na gut. Bis gleich dann.« Sie verschwand mit einem flüchtigen Fingerwinken.
    Kyra packte Franz fester am Arm und zerrte ihn zu dem Stehtisch zurück. Das Foyer hatte sich mittlerweile geleert.
    »Franz. Ich weiß jetzt, wer die drei Männer umgebracht hat.«
    »Meinen herzlichen Glückwunsch. Darf ich dich trotzdem darauf hinweisen, dass mein Konzert in wenigen Minuten beginnt.«
    Jetzt erst merkte Kyra, dass sie Franz immer noch am Ärmel hielt. Sie ließ ihn los und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Deine Lolita hat es getan. Das wundervolle Fräulein Schröder.«
    Eine Sekunde lang sagte Franz nichts, dann brach er in ein Gelächter aus, wie Kyra es schon lange nicht mehr gehört hatte.
    »Bitte, Kyra«, japste er, nachdem der schlimmste Anfall vorüber war, »du warst schon besser.«
    Kyra lenkte den Schlag, den sie in seiner Gesichtsmitte hatte platzieren wollen, auf die Tischplatte um. »Deine geliebte Lolita hat im Pergamon-Museum als Aufseherin gejobbt. Und exakt zwei Tage, nachdem Homberg ermordet wurde, hat sie gekündigt.«

    »Ja, und? Eine Menge Studentinnen jobben in Museen. Und wenn du mal eine Sekunde lang in Betracht ziehst, dass Nike nicht so verbrechensgeil ist wie du, ist es doch klar, dass sie gekündigt hat. Nach dem, was dort passiert ist.«
    »Quatsch. Ich hab sie gestern schließlich im Sektionssaal erlebt. Die hat mit keiner Wimper gezuckt.«
    Franz wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. Er schaute Kyra an. Ungewohnt mitleidig. Spöttisch. »Was man von dir wohl nicht sagen konnte.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Kyra scharf.
    Er zupfte sich am Bart. »Ich habe gehört, dass dir der Besuch in der Rechtsmedizin nicht so gut bekommen ist.«
    »Es interessiert mich nicht, welchen Quatsch dir diese Irre heute Morgen erzählt hat.«
    »Liebe Kyra. Ich begreife, dass es eine herbe Enttäuschung für dich sein muss, dass Nike keine Lust hatte, mit dir ins Bett zu steigen. Aber ich glaube nicht, dass du deine Chancen erhöhst, indem du sie zur Mörderin machst.«
    »Franz. Mit dieser Frau stimmt was nicht.«
    Der kleine Mann schaute sie lange an. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es auch Leute geben könnte, die behaupten würden, dass mit dir etwas nicht stimmt.«
    Kyra machte den Mund auf. Und biss sich auf die Unterlippe. Ihre Finger begannen zu zittern. »Franz. Diese Frau hat wahrscheinlich drei Männer ermordet.«
    »Ich begreife nicht, was du willst. Monatelang beschwerst du dich, dass es keine gewaltigen Frauen in dieser Stadt gibt, und jetzt glaubst du, eine gefunden zu haben, und was machst du: Tussigeschrei.«
    »Franz, ist dir eigentlich aufgefallen, dass du das perfekte Opfer Nummer vier abgeben würdest? Das Alter stimmt, du arbeitest im Kulturbetrieb, hast Halbglatze, Vollbart - was meinst du, warum sich die Kleine so an dich ranschmeißt?«

    »Vielleicht gefalle ich ihr.« Er strich sich übers neue Jackett. »Und überhaupt. Was regst du dich so auf? Erzähl mir bloß nicht, dass du dir Sorgen um mich machst.«
    »Verdammt noch mal. Du benimmst dich wie der letzte männliche Idiot. Wenn Nike tatsächlich diejenige ist, die die drei umgebracht hat, ist das hier kein Lolitawitz mehr.«
    Es gongte wieder.

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