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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Franz stieß sich vom Tisch ab. »Es tut mir Leid, Kyra. Ich muss jetzt wirklich rein.« Er zwinkerte ihr zu. »Keine Angst, ich werde den Kopf schon nicht verlieren.«
    Kyra konnte sich nicht erinnern, ihn jemals beschwingter eine Treppe hinauflaufen gesehen zu haben.
    »Scheiße!« Sie ergriff eines der Sektgläser, die auf dem Tisch herumstanden. Tränen schossen ihr in die Augen.
    »Nö. Ja. Also, wenn Sie hier die Stirn noch ein bisschen höher ziehen. Halt. Ja, genau so.« Der Schmied schwitzte. Er starrte auf den Bildschirm, der sämtliche Gesichter, die sich die Natur jemals ausgedacht hatte und ausdenken würde, entstehen lassen konnte. »Das mit den Augen stimmt noch überhaupt nicht. Die waren größer. - Nein, kleiner. - Nein - Mensch - ich weiß überhaupt nichts mehr.«
    Der Polizeizeichner legte ihm freundlich die Hand auf die Schulter. »Herr Schenker. Bleiben Sie ruhig. Nehmen Sie sich Zeit. Niemand setzt Sie unter Druck.«
     
    Tara ra bumbia. Ich sitz im Dunkeln da.
    Kyra konnte nicht sagen, wie lange sie schon hier hockte. Dem Stand der Whiskyflasche nach zu urteilen, war es schon eine ganze Weile. Sie griff nach der halb leeren Flasche auf dem Schreibtisch vor ihr. Es war alles so komisch. So schrecklich komisch. Franz im Konzert. Nike im Konzert. Die süße Nike. Die süße Mörderin. Und alle so glücklich. So schrecklich glücklich.
    Der Whisky lief ihr rechts und links übers Kinn. Sie lachte, als sie spürte, wie ihre Bluse nass wurde. Yeah. Nasse
Bluse nachts in Zeitung. Wann war sie das letzte Mal mit Franz im Konzert gewesen? Ein paar Wochen musste es her sein. Bruckner. Bruckners Achte. Sie lachte. Bruckners Achte. Pawlaks Erste. Anschließend hatten sie in irgendeiner der neuen Schnöselbars gehockt. Am Tresen. Und als sie beide völlig blau gewesen waren, hatten sie angefangen, erst ihren Gläsern, dann dem Aschenbecher im Spülbecken das Schwimmen beizubringen. Der Barbulle hatte sie rausgeworfen. Bis zum Morgen waren sie durch die neue Mitte Berlins gezogen. Am Alex hatte Franz ihr ein Konzertplakat der Backstreet Boys geklaut. Sie hatten im Tiergarten ein Wettrennen um den Goldenen Hirschen veranstaltet. Um sieben waren sie ins Barbarossa frühstücken gegangen. Oder waren das verschiedene Nächte gewesen? Egal. Alles war gut gewesen. So einfach.
    Kyra setzte die fast leere Flasche ab und griff nach der Mappe, die sie vorhin aus dem nächtlichen Chefsekretariat entführt hatte. Unter Wössners Tür hatte sie noch Licht gesehen. Schade, dass es nicht mehr der Alte war. Zum Alten hätte sie jetzt hochgehen und sich mit ihm gemeinsam besaufen können. Heute hätte er sie auch ficken dürfen.
    Das Telefon klingelte. Kyra schaute auf die Uhr. Ihr Herz randalierte. Das Konzert musste aus sein. Sie langte nach dem Hörer.
    »Ja?«
    »Mensch, da steckst du, ich versuch schon seit Stunden, dich daheim zu erwischen. - Kann ich vorbeikommen? Ich finde, wir sollten noch mal in Ruhe miteinander reden.«
    Wut, Wut, Wut ließ Kyras Stimme zittern. »Isabelle.«
    »Hey, bist du besoffen? Du klingst so komisch.«
    »Ich kling komisch? Du hast meinen Wagen zerkratzt.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Lüg nicht. Andy hat mit erzählt, dass es ein Gör mit grünen Haaren war, das er heute Nachmittag an meinem Auto erwischt hat.«

    »Das stimmt gar nicht. Dieser Lackaffe hat mich nicht erwischt. - Hey. Es tut mir Leid. Ich bezahl dir das auch«, schob sie schnell hinterher. »Ich wollte es nicht tun. Ehrlich nicht. Aber ich war plötzlich so wütend auf dich. Weil - diese ganzen Leute, die du alle an dich ranlässt - nur zu mir bist du so komisch, und dabei passen wir doch viel besser zusammen, ich mein, wir haben doch beide niemanden mehr auf der Welt, der wirklich -«
    »Halt die Schnauze. Ich hör mir dein Gesülz nicht länger an. - Wenn du noch ein einziges Mal bei mir anrufst oder in meiner Nähe auftauchst, ruf ich die Bullen und erzähl denen was von meinem Wohnungsschlüssel.«
    Tiefes Atmen. »Das würdest du nicht wirklich tun.«
    »Oh doch, Schätzchen.«
     
    Ludwig Törner betrachtete das Computerbild, das seit zehn Minuten vor ihm lag. Alles, was sich darüber sagen ließ: Es war ein Gesicht. Geschlecht: weiblich. Alter: irgendwo zwischen zwanzig und dreißig. Augenfarbe: unklar. Haare: kinnlang.
    Er legte das Foto von Isabelle Konrad daneben. Anfangs hatte er geglaubt, sie könne es doch sein. Je länger er hinund herstarrte, desto unsicherer wurde er. Er wusste noch nicht, ob es ihn

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