Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
fünfunddreißig Seemeilen, also etwa sechzig Kilometer. Um sie ohne Havarie zu befahren, muß man ihrer ganzen Länge nach einer Art Canal folgen, der zwischen Sandbänken oder Felsblöcken zuweilen nur vierzig bis fünfzig Meter breit ist.
Um daraus nicht abzuweichen, ließ der Kapitän Bourcart größere Steine einsammeln, um die ein dünnes Tau geknüpft wurde, dessen anderes Ende mit einer gut verschlossenen leeren Tonne verbunden war. Das ergab ebensoviele Baken, die die Mannschaften an jeder Seite des Canals auslegten, um dessen Windungen sichtbar zu machen.
Nicht weniger als vier Tage wurden nöthig – da die Ebbe in je vierundzwanzig Stunden zweimal zum Ankern zwang – eine mindestens zwei Lieues tiefe Lagune zu erreichen.
Wenn das Schiff still lag, begab sich Heurtaux in Begleitung der beiden Lieutenants ans Land, um in der Umgebung zu jagen. Sie erlegten dabei einige Ziegenpärchen und auch mehrere Schakale, die in der Waldung zahlreich vorkamen. Die Matrosen holten inzwischen Vorräthe höchst schmackhafter Austern oder beschäftigten sich mit Fischfang.
Am 21. Mai langte der »Saint Enoch« endlich an seinem dauernden Ankerplatze an.
Diese Stelle lag drei Kabellängen von dem Hintergrunde einer Bucht, die an der Nordseite von bewaldeten Hügeln begrenzt war. Von den anderen flachen und in einem sandigen Strande endenden Ufern traten zwei abgerundete, mit schwärzlichen Steinblöcken von sehr hartem Korn bestreute Landzungen heraus. Die Bucht selbst öffnete sich am Westufer der Lagune, und darin stand, selbst bei ganz niedriger See, immer soviel Wasser, daß das Schiff nicht Gefahr lief, auf dem Sande zu sitzen. Wie überhaupt in diesem Theile des Stillen Oceans, war der Gezeitenunterschied hier nicht sehr groß. Weder bei Voll-noch bei Neumond ergab sich eine größere Veränderung des Wasserstandes als eine von zweiundeinhalb Faden zwischen der Springfluth und der Nippebbe.
Der Liegeplatz war recht glücklich gewählt. Die Mannschaft hatte nicht weit zu gehen, um Holz zu holen. Ein zwischen den Hügeln sich hinschlängelnder Bach lieferte eine mehr als ausreichende Menge Süßwasser.
Selbstverständlich hatte sich der »Saint Enoch« hier nicht für die ganze Zeit des Aufenthalts unverrückbar festgelegt. Wenn die Boote entweder in der Lagune oder weiter draußen einem Walfisch nachstellten, war er immer schnell zur Abfahrt bereit, um die Jagd zu unterstützen, im Fall ein irgend günstiger Wind wehte.
Achtundvierzig Stunden nach seinem Eintreffen erschien vier Meilen sec »wärts ein Dreimaster, den man leicht als das englische Schiffe erkannte, das schon einmal gesehen worden war. Wie man später erfuhr, war es der »Repton«, Kapitän King, aus Belfast, der eben mit dem Fange begonnen hatte.
Dieser Walfänger suchte keinen Ankerplatz in der Bucht auf, wo der »Saint Enoch« lag. Er steuerte vielmehr nach dem Hintergrunde der Lagune, wo er den Anker fallen ließ. Da er aber kaum zwei Seemeilen weit festlegte, blieb er für das französische Fahrzeug immer in Sicht.
Diesmal hatte ihn die französische Flagge aber nicht begrüßt, als er vorübersegelte.
Andere Fahrzeuge, meist amerikanischer Nationalität, kreuzten an verschiedenen Theilen der Bai Marguerite, woraus sich schließen ließ, daß die Wale diese noch nicht endgiltig verlassen hatten.
Schon vom ersten Tage an hatten sich, da noch keine Gelegenheit war, die Fangboote auszusetzen, Meister Cabidoulin, der Zimmermann Ferut und der Schmied Thomas in Begleitung einiger Matrosen ans Ufer begeben, um Bäume zu fällen. Die Erneuerung des Holzvorrathes war dringend nöthig geworden, ebenso um den Bedarf der Küche zu decken, wie um für den zur Feuerung des Schmelzofens gerüstet zu sein. Das ist eine sehr wichtige Arbeit, die die Kapitäne der Walfischfänger niemals vernachlässigen. Das Fällen der Bäume ging trotz der herrschenden starken Hitze recht schnell von statten. Daß es so heiß war, kann nicht wundernehmen, wenn man bedenkt, daß die Bai Marguerite ziemlich genau unter dem fünfundzwanzigsten Breitengrade liegt, und auf der nördlichen Halbkugel entspricht das der Lage des südlichen Italiens und nördlichen Afrikas.
Am 25. Mai, eine Stunde vor Sonnenuntergang, bemerkte der Harpunier Kardek, der auf dem Besanmaste Ausguck hielt, etwa zwei Seemeilen von der Bucht entfernt mehrere Walfische, die ohne Zweifel seichtere, für ihre Jungen geeignete Stellen suchten. Es wurde daraufhin beschlossen, daß die Boote morgen in
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