Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
schnell in nordöstlicher Richtung ab.
Heurtaux empfahl den beiden Lieutenants, die größte Vorsicht zu beobachten, da es von Wichtigkeit war, den Wal nicht zu erschrecken, sondern ihn zu überraschen. Er schien sehr groß zu sein, denn zuweilen spritzte das Wasser von den Schlägen seines Schwanzes auffallend hoch empor.
Der »Saint Enoch« kam unter verminderter Segelfläche langsam nachgefahren.
Die drei Boote schritten in gerader Linie neben einander vor und sollten einer ausdrücklichen Empfehlung Bourcart’s nach keines dem anderen vorausfahren, da es gerathener und sicherer erschien, im Augenblicke des Angriffs auf das Thier beisammen zu sein.
Der Lieutenant Allotte mußte also seine Ungeduld zügeln. Das kam ihm aber offenbar schwer genug an, denn von Zeit zu Zeit mußte Heurtaux ihn zurückhalten.
»Nicht so schnell, Allotte, nicht zu schnell! ermahnte er ihn dann. Bleibt, wie sich’s gehört, hübsch in Reih’ und Glied!«
Als der Walfisch zuerst erblickt worden war, lag er etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt, eine Strecke, die die Boote bequem in einer halben Stunde zurücklegen konnten.
Nun wurden die Segel eingezogen und die Maste auf die Bänke niedergelegt, um bei den weiteren Vornahmen nicht hinderlich zu sein. Jeder Harpunier hatte zwei Harpunen – eine zum Ersatz – bei der Hand; ebenso lagen die neugespitzten Lanzen und die frisch geschliffenen Beile in Bereitschaft. Man überzeugte sich noch, daß die in den Balgen aufgerollt liegenden Leinen sich nicht verwickeln und über die mit Blei ausgelegte Einkerbung am Vordertheile leicht ablaufen könnten, sowie, daß sie mit der hinter dem kleinen Vordeck angebrachten Rolle schnell wieder aufzuwinden wären. Wenn das harpunierte Thier dann über das Wasser hin entwich oder unter dieses eintauchte, wollte man ihm die Leine nachschießen lassen.
Es handelte sich hier um eine achtundzwanzig bis neunundzwanzig Meter lange Balänoptere von der Art der Culammaks. Mit den drei Meter langen Brustflossen und dem sechs bis sieben Meter langen dreieckigen Schwanze mochte das Thier wohl gegen hundert Tonnen wiegen.
Ohne die geringste Beunruhigung zu verrathen, ließ sich der Culammak, den Kopf abseits von den Booten gewendet, von der langen Dünung auf und ab wiegen. Jean-Marie Cabidoulin hatte mit Bestimmtheit erklärt, daß er mindestens zweihundert Faß Thran liefern werde.
Die drei Boote, eines an jeder Seite und das dritte hinter diesen etwas zurückbleibend und nun bereit, nach links und nach rechts zu wenden, waren nahe bei dem Wale angelangt, ohne daß er etwas davon bemerkt hatte.
Durut und Ducrest standen schon auf dem kleinen Deck an der Spitze der Boote und schwangen ihre Harpunen in der Erwartung, sie auf den Wal unterhalb seiner Brustflossen zu schleudern, was diesen, wenn er richtig getroffen wurde, gleich tödtlich verwundete. Erreichten ihn die Harpunen von beiden Seiten, so mußte er um so sicherer zu erbeuten sein. Wenn dann auch eine Leine zerriß, hielt man ihn doch noch an der anderen, ohne befürchten zu müssen, ihn während des Untertauchens zu verlieren.
In dem Augenblicke aber, wo der Lieutenant Allotte näher an den Culammak heranfahren wollte, drehte dieser sich, noch ehe der Harpunier seine Waffe auf ihn schleudern konnte, so blitzschnell um, daß das Boot dabei ernstlich in Gefahr kam, und tauchte dann unter mit einem mächtigen Schlage des Schwanzes auf das Wasser, das wohl zwanzig Meter hoch aufspritzte.
»Der verwünschte Bursche! riefen die Matrosen.
– Da geht er uns nun davon!
– Ohne einen Lanzenstich in der Seite!
– Und ohne eine Leine, die ihm nachschösse!
– Wann wird er wohl wieder auftauchen?
– Und wo wird er dann sichtbar werden?«
Gewiß war nur, daß bis dahin eine halbe Stunde, nämlich ebensoviel Zeit wie seit dem ersten Aufsteigen seines Wasserstrahles, vergehen werde.
Nach der heftigen Bewegung infolge des Schlages mit dem Schwanze hatte sich das Meer allmählich wieder beruhigt. Die Boote ruderten näher an einander heran. Heurtaux und die beiden Lieutenants waren fest entschlossen, sich eine so gute Beute nicht entgehen zu lassen.
Zunächst blieb freilich nichts anderes übrig, als das Wiederauftauchen des Culammaks abzuwarten, dem man ja nicht mittels Leine folgen konnte. Zu wünschen war da nur, daß das unter dem Winde der Fall wäre, damit man ihn mit Riemen und Segeln verfolgen könnte.
Weit und breit zeigte sich übrigens keine andere Cetacee.
Kurz nach vier Uhr war
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