Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
dauernd begünstigt, und die jetzige konnte also nur von kurzer Dauer sein. Wenn die atmosphärischen Zustände nicht ins Gegentheil umschlugen, brauchte der »Saint Enoch«, um Vancouver zu erreichen, nur dreiviertel der Zeit, die zur früheren Fahrt von da nach den Kurilen nöthig gewesen war. Wäre sein Fang glücklicher gewesen, so hätte er den Thran auch noch zur Zeit verkaufen können, wo man in Victoria dafür gern hohe Preise bewilligte.
Leider war die Campagne weder im Ochotskischen Meere noch seit der Abfahrt aus Petropawlowsk von erwünschtem Erfolge gewesen. Die Leute hatten den Schmelzofen nicht ein einziges Mal angeheizt und der dritte Theil der Fässer war leer geblieben.
Hier hieß es also, gute Miene zum bösen Spiele zu machen und sich mit der Hoffnung zu trösten, daß man sich nach einigen Monaten in den neuseeländischen Meeren schadlos halten werde.
Meister Ollive predigte auch immer den Leichtmatrosen, denen die Erfahrungen der Vollmatrosen noch fehlten:
»Da seht Ihr’s ja, Jungens, das Geschäft ist eben wie es ist! Das eine Jahr hat man Erfolg, das andere nicht, deshalb braucht man sich aber nicht zu verwundern oder gleich alles Vertrauen zu verlieren. Die Walfische laufen nicht den Schiffen nach, sondern das Schiff den Walfischen, und wenn die ins offene Meer ausgewandert sind, dann heißt’s, eine seine Nase haben, die Burschen aufzuspüren. Versorgt Euch also mit der nöthigen Geduld, packt sie in Eueren Sack, legt das Schnupftuch drüber und wartet das weitere ruhig ab!«
Das war ja verständig gesprochen, und es lohnte sich mehr, auf den Meister Ollive zu hören, als auf den Meister Cabidoulin, dem gegenüber der erstere jedes Gespräch mit den Worten beendigte:
»Na, die Flasche Tafia gilt doch noch?
– Jetzt und immer!« erwiderte dann der Böttcher.
Thatsächlich schien es freilich, als ob die Dinge, je weiter man hinauskam, Jean-Marie Cabidoulin immer mehr recht geben sollten. Traf der »Saint Enoch« auf keinen Walfisch, so wurden auf dem Meere doch mancherlei Triften, wie Trümmer von Booten und treibende Schiffsrumpfe, entdeckt. Bemerkenswerth war dabei ferner, daß die Schiffe alle durch eine Collision beschädigt zu sein schienen, und wenn sie von ihrer Besatzung verlassen waren, kam das daher, daß sie die See nicht mehr halten konnten.
Im Laufe des 20. October erfuhr die Eintönigkeit der Reise einmal eine Unterbrechung. Endlich bot sich dem »Saint Enoch« nämlich noch eine Gelegenheit, einen Theil der Fässer in seinem Raum zu füllen.
Da der Wind seit gestern merkbar abgeflaut war, hatte Bourcart noch die Topp-und die Stagsegel setzen lassen. Am wolkenlosen Himmel glänzte die Sonne und scharf hob sich die Grenzlinie des Horizontes im ganzen Umkreise ab.
Gegen drei Uhr befanden sich der Kapitän Bourcart, der Doctor Filhiol und die Officiere unter dem Sonnendache des Hinterdecks im Gespräch, als plötzlich der Ruf:
Das war nicht der Rumpf eines Schiffes, sondern ein großer Wal. (S. 141.)
»Ein Walfisch… ein Walfisch!« aufs neue ertönte.
Der Harpunier Ducrest war es, der diesen Ruf von der Mars des Großmastes ausgestoßen hatte.
»In welcher Richtung? fragte ihn sofort der Hochbootsmann.
– Drei Meilen von uns unter dem Winde.«
Diesmal konnte kein Irrthum vorliegen, denn man sah den bekannten Dampf-und Wasserstrahl deutlich aufsteigen. Das Thier war offenbar eben aus dem Wasser emporgetaucht, als Ducrest es bemerkte. Ein zweiter aufsteigender Strahl folgte auch bald dem erstbeobachteten nach.
Da war es denn kein Wunder, daß der Lieutenant Allotte nicht dazu schweigen konnte.
»Endlich… der ist doch nicht todt, der Bursche da draußen! rief er freudig.
– Nein bestätigte Heurtaux, und er kann nicht einmal verwundet sein, da er keinen blutigen Strahl ausbläst!
– Die drei Boote ausgesetzt!« befahl der Kapitän Bourcart.
Kaum jemals hatten so günstige Verhältnisse für eine Jagd vorgelegen, wie heute, denn das Meer war fast glatt, eine leichte Brise schwellte die Segel der Boote und dazu blieb es noch mehrere Stunden hell, was auch eine etwa nöthige, längere Verfolgung gestattete.
Binnen wenigen Minuten schwammen die Boote des Obersteuermanns und der beiden Lieutenants mit der nöthigen Ausrüstung auf dem Wasser, besetzt von Heurtaux, Coquebert und Allotte, je einem Matrosen am Steuer, vier Mann für die Ruderbänke, und von den Harpunieren Kardek, Durut und Ducrest, die im Vordertheile Platz nahmen. Dann segelten sie
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