Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
angebracht wurden, hißte man die Fässer aufs Deck und warf sie dann ins Meer. Einige davon versanken sofort. Andere, die durch den Aufschlag auf das Riff in Stücke gingen, entleerten sich ihres Inhalts, der wieder nach der Wasseroberfläche emporstieg. Der »Saint Enoch« war bald von einer Fettschicht umgeben, als hätte man Oel ausfließen lassen, um die Wellen in einem Sturme zu glätten. Kaum je war das Meer so ruhig wie jetzt gewesen: nicht die leiseste Wellenbildung an seiner Oberfläche oder an den Rändern der Untiefe, obwohl Heurtaux das Vorhandensein einer von Nordosten kommenden Strömung nachweisen konnte.
    Die Gezeiten mußten bald wieder wechseln. Die Entlastung des Schiffes konnte ihre Wirkung natürlich erst zeigen, wenn das Wasser wieder seinen höchsten Stand erreicht hatte. Da man bis dahin drei Stunden vor sich hatte, mußte die Arbeit bis zum erwünschten Zeitpunkte beendigt sein. Dann war aber keine Zeit zu verlieren, oder der »Saint Enoch« lag auch noch bis tief in die Nacht hinein fest, und es war doch entschieden besser, bei Tageslicht von dem Risse abkommen zu können. Fast achthundert Faß aus dem Frachtraume herauszuschaffen, das erfordert jedoch geraume Zeit, von der Anstrengung dabei gar nicht zu reden.
    Gegen fünf Uhr war die Hälfte der Arbeit gethan. Die Fluth war schon um drei bis vier Fuß gewachsen, und man hätte wohl erwarten können, daß der zum Theil entlastete »Saint Enoch« sich schon aufrichten werde, er blieb aber noch immer unbeweglich.
    »Das mag der Teufel wissen, wetterte da Meister Ollive, es sieht aber wahrlich aus, als ob unser Schiff hier auf der Stelle angenagelt wäre.
    – Und Du wirst die Nägel auch nicht herausziehen, murmelte Jean-Marie Cabidoulin.
    – Was sagst Du, Alter?
    – Nichts… gar nichts!« antwortete der Böttcher, der eben ein leeres Faß ins Meer warf.
    Auch die Hoffnung, an die man sich immer geklammert hatte, daß der Nebel sich zerstreuen werde, sollte nicht in Erfüllung gehen. Die Finsterniß schien durch die Dunstmassen noch tiefer werden zu sollen. Wenn sein Schiff nun bei der nächsten Fluth nicht flott wurde, wußte der Kapitän Bourcart kaum noch, wie er aus diesem gefährlichen Meerestheile fortkommen sollte.
    Kurz nach sechs Uhr, als schon etwas Halbdunkel herrschte, hörte man von Westen her, wo es noch ein wenig heller war, laute Rufe.
    Der auf dem Vorderkastell stehende Meister Ollive trat an Bourcart, der sich auf dem Hinterdeck aufhielt, heran.
    »Kapitän, sagte er, hören Sie… hören Sie?… Halt… dort draußen.. es scheint…
    – Ja, ja, dort rufen Leute,« setzte der Lieutenant Coquebert hinzu.
    Unter der Mannschaft machte sich einige Aufregung bemerkbar.
    »Ruhe!« befahl Bourcart.
    Alle lauschten gespannt.
    Wirklich drangen, jetzt noch von fernher, wiederholte Rufe bis aufs Schiff. Ohne Zweifel galten sie dem »Saint Enoch«.
    Auf ein Zeichen des Kapitäns wurde darauf Antwort gegeben.
    »Ohe!… Ohe!… Hierher!«
    Waren das nun Eingeborene, die sich von einer benachbarten Insel auf ihren Piroguen näherten, oder handelte es sich vielleicht um die Ueberlebenden vom »Repton«, deren Boote sich wahrscheinlich schon seit gestern bemühten, trotz des Nebels den französischen Walfänger aufzusuchen?
    Diese – an sich auch die wahrscheinlichste – Vermuthung sollte sich bestätigen.
    Einige Minuten später lagen, durch die Zurufe und durch Gewehrschüsse auf den rechten Weg geleitet, zwei Boote längseits des »Saint Enoch«.
    Es waren die Boote des »Repton« und darin saßen, den Kapitän King eingerechnet, dreiundzwanzig Mann von dessen Besatzung.
    Die auch von Anstrengung erschöpften Leute brachen vor Hunger fast zusammen, da sie bei der Schnelligkeit der Katastrophe hatten keine Lebensmittel mitnehmen können. Nach vierundzwanzigstündigem Umherirren waren sie jetzt vor Hunger und Durst fast dem Tode nahe.
     

    Nirgends erreichte die Sonde den Boden. (S. 173.)
     
    Die Ueberlebenden vom »Repton« wurden herausgeholt und von Bourcart mit der Höflichkeit empfangen, die ihm einmal eigen war, obgleich er sich in diesem Falle wegen des Vorhergegangenen gewiß zu beklagen berechtigt war. Ehe er sich mit Fragen an den Kapitän King wandte, ehe er diesen etwas ausforschte, unter welchen Umständen sein Schiff zu Grunde gegangen wäre, und auch ehe er ihm über die Lage des »Saint Enoch« weiteren Aufschluß gab, ließ er den neuen Passagieren vor allem Speise und Trank vorsetzen.
    Der Kapitän King wurde

Weitere Kostenlose Bücher