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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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antwortete er überzeugten Tones, erst vor wenigen Tagen hab’ ich, wie ich Ihnen schon sagte, ein zuverlässiges Besteck aufnehmen können. Eben hab’ ich meine Rechnungen noch einmal geprüft; sie sind genau, wir liegen ohne Zweifel gegen zweihundert Meilen von der äußersten Landspitze der Kurilen.
    – Dann komme ich auf meine Muthmaßung zurück, erwiderte der Doctor Filhiol. Es wird ein Aufsteigen des Meeresbodens stattgefunden haben, auf dem der »Saint Enoch« aufgefahren ist.
    – Das wäre wohl möglich, gab Bourcart zu, denn ich kann es nicht glauben, daß ein Irrthum oder ein Fehler im Steuern uns soweit nach Norden zurückverschlagen hätte.«
    Es war wirklich ein beklagenswerther Umstand, daß sich kein Wind erheben zu wollen schien. Erstens hätte dieser den Nebel weggefegt und den Himmel klar gemacht, und vielleicht, wenigstens wenn er aus Westen wehte, dem »Saint Enoch«, der dann alle Segel gehißt hätte, von dem felsigen Grunde abgedrängt.
    »Wartet nur, Kinder, wartet nur! wiederholte öfters der Kapitän Bourcart, der es wohl bemerkte, daß die Ungeduld und die Unruhe seiner Leute zunahm. Ich hoffe, daß der Nebel am Nachmittage aufsteigen wird, und dann werden wir über unsere Lage bald Aufschluß haben. Voraussichtlich kommen wir ohne großen Schaden davon!«
    Als die Voll-und die Leichtmatrosen ihre Blicke aber auf Jean-Marie Cabidoulin richteten, sahen sie, wie er den dicken, buschigen Kopf schüttelte, ein Zeichen, daß er diese frohe Zuversicht nicht theilte, und das war für sie gar nicht beruhigend. Um bei der wieder steigenden Fluth zu verhindern, daß deren von Osten her andringende Welle das Fahrzeug noch weiter auf das Riff schieben könne, wollte Bourcart in Uebereinstimmung mit dem Obersteuermann nach jener Himmelsgegend hin einen Wurfanker auslegen lassen.
    Meister Ollive und zwei Matrosen machten eines der Boote klar, um diese weise Maßregel unter der Leitung des Lieutenants Allotte auszuführen.
    Das Boot stieß ab, während man ihm die Ankerkette vom »Saint Enoch« aus nachlaufen ließ.
    Auf Anordnung des Kapitäns Bourcart ließ der Lieutenant in fünfzig Fuß Entfernung vom Schiffe eine Bleisonde einsinken. Zu seiner größten Ueberraschung aber fand er, selbst als zwanzig Faden Schnur abgelaufen waren, keinen Grund.
    Die Sondierungen wurden an dieser Seite an verschiedenen Stellen wiederholt, doch immer mit dem gleichen Erfolge: das Senkblei traf nirgends auf den Boden.
    Unter solchen Umständen einen Anker fallen zu lassen, wäre nutzlos gewesen, da er doch keinen Halt gewonnen hätte. Aus dem Befunde aber ließ sich schließen, daß das Riff, wenigstens auf dieser Seite, sehr steil abfiel.
    Das Boot kehrte zurück und der Lieutenant Allotte erstattete dem Kapitän seinen Bericht.
    Bourcart zeigte sich nicht wenig erstaunt. Seiner Annahme nach mußte das Riff vielmehr sehr sanft abfallende, weit hinausreichende Seiten haben, da die Strandung fast ohne Erschütterung erfolgt war, als wenn das Schiff dabei über einen wenig geneigten Boden hingestrichen wäre. Nun mußten Sondierungen rund um den »Saint Enoch« vorgenommen werden, um so gut wie möglich die Ausdehnung des Riffs und die Tiefe des Wassers über ihm zu erfahren. Jetzt bestieg Bourcart das Boot, und zwar mit dem Obersteuermann, dem Oberbootsmann und zwei Matrosen. Sie hatten zu dem Senkblei eine Leine mitgenommen, die zweihundert Faden lang war. Wie bei dem Versuche des Lieutenants Allotte, zeigte sich auch hier, daß die Leine nicht bis zum Grunde hinabreichte. Man mußte also auf das Auslegen eines Ankers verzichten, mittels dessen man durch Drehung des Spills das Schiff heranzuziehen und vielleicht abzuschleppen gedacht hatte.
    »Kapitän, schlug Heurtaux vor, wir thäten wohl besser, nur ganz in der Nähe des Schiffsrumpfes zu sondieren.
    – Das ist auch meine Ansicht,« antwortete Bourcart.
    Meister Ollive setzte den Bootshaken in eine der Rüsten nach der anderen ein und führte das Boot so, daß es den Rumpf höchstens in fünf bis sechs Fuß Entfernung umkreisen mußte. Von drei zu drei Metern ließ der Obersteuermann die Sonde untersinken. Nirgends erreichte sie, selbst bei zweihundert Faden Leinenlänge, den Boden. Das Riff hatte also einen sehr beschränkten Umfang und ragte bis auf ein oder zwei Toisen unter der Meeresfläche auf. Das bedeutete demnach, daß der »Saint Enoch« auf die Spitze eines bisher unbekannten Felskegels aufgefahren war.
    Immer weiter verstrichen die Stunden, nichts

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