Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
nach der Cajüte geführt, seine Leute begaben sich hinunter ins Volkslogis.
Dreizehn Mann fehlten von der Mannschaft des Kapitäns King, dreizehn, die beim Schiffbruche des »Repton« den Tod im Meere gefunden hatten.
Dreizehntes Capitel.
Eine bewegliche Klippe.
Als der Kapitän King und seine Leute beim »Saint Enoch« angelangt waren, lag dieser in einem so dichten Nebel, daß jene, wenn die Rufe der Bootsinsassen nicht gehört wurden, jedenfalls an dem Risse vorbeigefahren wären. Steuerten die Engländer nach Süden weiter, so hätten sie weder auf die asiatische, noch auf die amerikanische Küste treffen können. Selbst eine dauernde Zerstreuung des Nebels durch Winde angenommen, wäre es ihnen unmöglich gewesen, noch eine hunderte von Meilen lange Fahrt nach Osten oder Westen auszuführen. Ohne Schiffszwiebak, den Hunger zu stillen, und ohne Süßwasser, den Durst zu löschen, wäre nach achtundvierzig Stunden kein einziger Mann vom »Repton« mehr am Leben gewesen!
An Officieren und Matrosen waren sechsunddreißig Mann auf dem »Repton« gewesen. Dreiundzwanzig hatten sich mittels der Boote gerettet, und diese ergaben nun zusammen mit dem, seit dem Tode des Matrosen um einen verminderten Personal des »Saint Enoch« sechsundfünfzig Köpfe. Wenn es dem Kapitän nun aber nicht gelang, sein Schiff von dem Risse abzubringen, welches Schicksal stand dann ihm selbst und seinen alten und neuen Gefährten bevor? Selbst wenn Land, ein Festland oder eine Insel, in der Nähe gewesen wäre… die Schiffsboote hätten doch nicht alle aufnehmen können. Beim ersten Sturmwind aber – und solche sind in dieser Gegend des Stillen Oceans gar häufig – mußten die hier meist riesengroßen Wogen, die dann am Risse emporbrandeten, den »Saint Enoch« in wenigen Minuten zertrümmern. Man mußte also bereit sein, das Fahrzeug jeden Augenblick zu verlassen. Dann gingen aber die Lebensmittel, die Bourcart in Vancouver zu erneuern gedacht hatte, gewiß vorzeitig zu Ende, sobald sie die durch die Schiffbrüchigen des »Repton« auf das Doppelte gestiegene Zahl der Insassen des Fahreuges ernähren sollten.
Die Schiffsuhren zeigten die achte Stunde. Noch immer deutete nichts auf Wind, als die Sonne hinter dem dichten Nebelschleier versunken war. Die mehr und mehr fortschreitende Nacht sollte voraussichtlich ganz ruhig, doch auch völlig finster sein. Es war kaum zu erwarten, daß das Schiff in der Hochwasserzeit abgehoben würde, vorzüglich auch, weil die nächste Fluthhöhe die vorhergegangene schon nicht mehr erreichte, und es war überdies nicht möglich, das Schiff noch weiter zu entlasten, wenn nicht noch seine Takelage sammt den Masten geopfert werden sollte.
Das erkannte der Kapitän King, als er mit Bourcart, Heurtaux, dem Doctor Filhiol und den beiden Lieutenants in der Cajüte verweilte. Hatten er und seine Leute hier Zuflucht an Bord gefunden, so war ihre Rettung damit nicht gesichert. In naher Zukunft konnte ja dem »Saint Enoch« dasselbe Los, wie vorher dem »Repton«, bescheert sein.
Von Wichtigkeit war es nun zu hören, unter welchen Umständen das englische Schiff zu Grunde gegangen war. Der Kapitän King berichtete darüber Folgendes:
Der »Repton« lag, von der Windstille betroffen, mitten im Nebel, als gestern eine Oeffnung in diesem den »Saint Enoch« drei Meilen unter dem Winde zu erkennen gestattete. Warum der »Repton« dem französischen Walfänger nachgesegelt war, ob etwa in mehr oder weniger feindlicher Absicht und um die Angelegenheit wegen des von den beiden Mannschaften harpunierten Walfisches zum Austrag zu bringen, darüber sprach sich der Kapitän King nicht aus.
Es war auch nicht die geeignete Zeit, Anklagen und Forderungen zu erheben. Er begnügte sich vielmehr zu berichten, daß der »Repton«, als nur noch eine Seemeile die Schiffe trennte, einen furchtbaren Stoß erlitt. Sein Rumpf wurde am Boden der Backbordseite dadurch eingeschlagen und stromweise ergoß sich das Wasser hinein. Der Obersteuermann Stroh und ein Dutzend von der Mannschaft wurden, die einen über Bord geschleudert, die anderen durch die niederbrechenden Masten erschlagen. Der Kapitän King und die übrigen wären ebenso sicher umgekommen, wenn sich nicht gerade zwei Boote schon auf dem Meere befunden hätten, die diese – dreiundzwanzig Mann – aufnahmen. Ueber vierundzwanzig Stunden irrten die Ueberlebenden vom »Repton« aufs Gerathewohl umher und ohne irgendwelche Lebensmittel, nur bemüht, den »Saint Enoch«
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