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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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als ich sagte, ich hätte von allen gehört, was mir in Wahrheit nur einer anvertraut hatte, aber ich war überzeugt und bin es noch immer, dass mir der Alte die Wahrheit gesagt hat. Und so habe ich geschrieben… lass mich das Ende noch einmal vorlesen…«
    Und Großvater las erneut:
    »Dies, mein Herr, sind die perfiden Pläne des jüdischen Volkes, die ich mit eigenen Ohren gehört habe… Es wäre daher sehr wünschenswert, dass eine energische und überlegene Feder wie Ihre den Regierungen in den genannten Ländern die Augen öffnet und sie lehrt, dieses Volk in die Verworfenheit zurückzustoßen, die ihm gebührt und in der unsere Väter, die politischer und urteilsfähiger waren als wir, sie stets zu halten Sorge trugen. Dazu, mein Herr, lade ich sie untertänigst ein, und bitte verzeihen Sie einem Italiener und Soldaten die Fehler jedweder Art, die Sie in diesem Briefe finden werden. Ich wünsche Ihnen die großzügigste Belohnung aus der Hand Gottes für die erhellenden Schriften, mit denen Sie Ihre Kirche bereichert haben, und möge Er denen, die sie lesen, dieselbe Hochachtung und denselben Respekt einflößen, die Ihnen, mein Herr, entgegenbringt Ihr demütigster, untertänigster Diener, Jean-Baptiste Simonini.«
    Nach diesen Worten pflegte der Großvater den Brief in den Schrein zurückzulegen, und dann fragte ich: »Und was hat der Abbé Barruel geantwortet?«
    »Er hat mich gar keiner Antwort gewürdigt. Aber ich hatte einen guten Freund in der römischen Kurie, und so erfuhr ich, dass der Angsthase fürchtete, wenn diese Wahrheiten veröffentlicht würden, könnten sie ein Massaker an den Juden auslösen, was er nicht provozieren wolle, weil er der Ansicht war, dass es unter ihnen auch Unschuldige gebe. Im übrigen müssen auch einige Machenschaften der französischen Juden jener Zeit mit im Spiel gewesen sein, als Napoleon beschloss, die Vertreter des Großen Sanhedrins zu treffen, um sich ihre Unterstützung für seine Ambitionen zu sichern – und jemand muss dann wohl dem Abbé gesteckt haben, dass es nicht ratsam sei, die Wasser zu trüben. Aber Barruel hat trotzdem nicht schweigen wollen, sondern hat das Original meines Briefes an den Pontifex Maximus Pius VII. geschickt, jawohl, und Kopien an etliche Bischöfe. Und das war noch nicht alles, denn er hat den Brief auch Kardinal Fesch, dem damaligen Primas von Gallien zukommen lassen, auf dass der ihn dem Kaiser zur Kenntnis bringe. Und ebenso auch dem Pariser Polizeipräfekten, woraufhin die Pariser Polizei, wie ich hörte, eine Anfrage bei der Kurie in Rom einreichte, um herauszufinden, ob ich ein glaubwürdiger Zeuge sei – und zum Teufel, das war ich, das konnten die Kardinäle nicht leugnen! Kurz, um es mit einem Sprichwort zu sagen, Barruel warf den Stein und versteckte die Hand, er wollte nicht in ein weiteres Wespennest stechen, ein noch größeres als das, in welches er schon mit seinem Buch gestochen hatte, aber mit der Miene eines Unschuldslammes verbreitete er meine Enthüllungen in die halbe Welt. Du musst wissen, Barruel war von den Jesuiten erzogen worden, bis Ludwig XV. die Jesuiten aus Frankreich verbannt hatte, und war dann zum weltlichen Priester ordiniert worden, um jedoch wieder Jesuit zu werden, als Pius VII. dem Orden die volle Legitimität zurückgegeben hatte. Nun weißt du ja, dass ich ein glühender Katholik bin und höchste Achtung vor jedem habe, der eine Soutane trägt, aber ein Jesuit ist und bleibt eben immer ein Jesuit, er sagt das eine und tut das andere, er tut das eine und sagt das andere, und Barruel hat sich nicht anders verhalten…«
    Der Großvater lachte spöttisch, belustigt von seiner eigenen schwefligen Impertinenz, und spuckte Tröpfchen durch die wenigen Zähne, die ihm verblieben waren. »Siehst du, mein Simonino«, schloss er, »ich bin alt, ich habe kein Talent zum einsamen Rufer in der Wüste, und wenn sie mich nicht anhören wollten, werden sie es vor dem Herrn im Himmel zu verantworten haben, aber an euch Junge gebe ich die Fackel der Zeugenschaft weiter, besonders jetzt, wo die gottverdammten Juden immer mächtiger werden und unser feiger König Carlo Alberto sich ihnen gegenüber immer nachgiebiger zeigt. Aber er wird von ihrer Verschwörung hinweggefegt werden…«
    »Verschwören die sich auch hier in Turin?« fragte ich.
    Der Großvater blickte umher, als ob jemand seine Worte hören könnte, während die Schatten der Dämmerung das Zimmer verdunkelten. »Hier und überall«, sagte er.

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