Die historischen Romane
und jetzt wiederhole mir, was du dem Mann sagen sollst.«
»Der Hauptmann lässt dir bestellen: Es ist soweit.«
»Bravo.«
Zur Stunde der Abfahrt war Simonini am Kai, um Nievo Adieu zu sagen. Sie verabschiedeten sich gerührt. »Liebster Freund«, sagte Nievo, »du bist mir so lange Zeit nahe gewesen, und ich habe dir mein Herz geöffnet. Es kann sein, dass wir uns nie wiedersehen. Wenn ich meine Bücher in Turin abgeliefert habe, kehre ich nach Mailand zurück, und dort… nun, wir werden sehen. Ich werde mich um meinen Roman kümmern. Lebwohl, umarme mich, und viva l’Italia!«
»Lebwohl, mein lieber Ippolito, ich werde dich nie vergessen«, erwiderte Simonini, und es gelang ihm sogar, sich ein paar Tränen abzupressen, weil er sich so intensiv in seine Rolle hineinversetzt hatte.
Nievo ließ aus seiner Kutsche eine schwere Kiste ausladen und verfolgte aufmerksam, wie sie an Bord gebracht wurde. Kurz bevor er den Laufsteig betrat, erschienen zwei Freunde von ihm, die Simonini nicht kannte, und redeten auf ihn ein, er solle nicht mit der alten Ercole fahren, die sei nicht sicher genug, am nächsten Morgen werde der Dampfer Elettrico ablegen, der sei vertrauenerweckender. Simonini erstarrte für einen Moment, aber Nievo zuckte die Achseln und sagte, je eher seine Dokumente ans Ziel gelangten, desto besser. Kurz darauf legte die Ercole ab.
Zu behaupten, Simonini habe die nächsten Stunden in heiterer Stimmung verbracht, hieße seiner Kaltblütigkeit zuviel Kredit einräumen. Im Gegenteil, er verbrachte den ganzen restlichen Tag und Abend in Erwartung eines Ereignisses, das er nicht würde sehen können, nicht einmal wenn er auf die Punta Raisi stiege, die sich im Westen über Palermo erhebt. Gegen neun Uhr abends sagte er sich, die inzwischen vergangene Zeit überschlagend, dass nun vielleicht schon alles vorbei war. Er war nicht sicher, ob Bronte den Befehl pünktlich ausgeführt hatte, aber er stellte sich vor, wie sein Matrose ihm auf der Höhe von Stromboli die Order erteilte, und wie der Ärmste sich niederbeugte, um die Lunte in die Kiste zu stecken und sie anzuzünden, und wie er dann schnell an Deck kletterte und zum Heck lief, wo er niemanden finden konnte. Vielleicht würde er den Betrug erkennen und sich wie ein Irrer (war er das nicht sowieso?) zurück in den Laderaum stürzen, um die Lunte noch rechtzeitig zu löschen, aber zu spät, die Explosion würde ihn unterwegs erwischen.
Simonini fühlte sich so befriedigt über die glücklich vollbrachte Mission, dass er, wieder im Gewande des Geistlichen, sein Maultier bestieg und sich in der Taverne von Bagheria ein gehaltvolles Abendessen auf Basis von Pasta mit Sprotten und piscistocco alla ghiotta gönnte (Stockfisch zwei Tage in kaltem Wasser einweichen, in Scheiben schneiden, eine Zwiebel, eine Selleriestange, eine Karotte, ein Gläschen Öl, Tomatenmark, entkernte schwarze Oliven, Pinienkerne, Sultaninen und Birnen, entsalzte Kapern, Salz und Pfeffer).
Dann dachte er an Meister Ninuzzo… Einen so gefährlichen Zeugen sollte man nicht frei herumlaufen lassen. Also bestieg er wieder sein Maultier und ritt zu dem Pulvermagazin. Meister Ninuzzo saß eine alte Pfeife schmauchend vor der Tür und begrüßte ihn mit breitem Lächeln. »Denken Sie, dass es geschafft ist, Pater?«
»Ich denke ja, Sie dürfen stolz sein, Meister Ninuzzo«, antwortete Simonini und umarmte ihn mit den Worten »Es lebe der König«, wie es in jener Gegend üblich war. Dabei stieß er ihm einen Dolch zwei Handbreit tief in den Leib.
Da an diesem abgelegenen Ort nur selten jemand vorbeikam, würde es lange dauern, bis man die Leiche gefunden hätte. Wenn dann durch einen sehr unwahrscheinlichen Zufall die Gendarmen oder jemand an ihrer Stelle den Weg zurück bis zur Taverne in Bagheria fänden, würden sie dort erfahren, dass Ninuzzo in den letzten Monaten viele Abende mit einem ziemlich verfressenen Geistlichen verbracht hatte. Aber auch dieser Kirchenmann wäre dann nicht mehr auffindbar, da Simonini sich inzwischen längst aufs Festland abgesetzt hätte. Was Bronte betraf, so würde sich niemand um sein Verschwinden kümmern.
Gegen Mitte März traf Simonini wieder in Turin ein und wartete auf ein Treffen mit seinen Auftraggebern, denn es war Zeit, dass sie ihre Rechnungen beglichen. Und tatsächlich kam Bianco eines Nachmittags in seine Kanzlei, setzte sich vor seinen Schreibtisch und sagte:
»Simonini, Sie machen aber auch nie etwas
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