Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
sozusagen schlechtbürgerlichen Pariserinnen, die viel einfallsreicher sind im Erfinden von Verkleidungen, um die Aufmerksamkeit unseres Geschlechts erregen.
     
     
     
    Prostituierte auch sie, wenn auch nicht so vulgäre wie die, die ich später in den brasseries à femmes kennenlernen sollte, hatten sie es auf die ökonomisch bessergestellten Herren abgesehen, was man an der teuflischen Raffinesse sah, mit der sie ihre Opfer verführten. Später erzählte mir einer meiner Informanten, einst habe man auf den Boulevards nur die grisettes gesehen, junge, ein bisschen einfältige Frauen, nicht keusch, aber uneigennützig, die von ihrem Liebhaber keine teuren Kleider oder Juwelen verlangten, auch weil er meist ärmer war als sie. Dann seien sie verschwunden wie die Rasse der Möpse. Danach seien die lorettes oder biches oder cocottes aufgekommen, die nicht geistreicher und kultivierter waren als die grisettes , aber begierig auf Kaschmirschals und Rüschenkleider. Zu der Zeit, als ich nach Paris kam war, seien die lorettes durch die Kurtisanen ersetzt worden: schwerreiche Liebhaber, Diamanten und Karossen. Nur selten flaniert eine Kurtisane noch auf den Boulevards. Diese Kameliendamen haben es zum moralischen Prinzip erhoben, dass man weder ein Herz noch Gefühle noch Dankbarkeit haben darf und gelernt haben muss, die Impotenten auszubeuten, die nur bezahlen, um sie in Opernlogen zur Schau zu stellen. Was für ein widerwärtiges Geschlecht.
     
    Unterdessen nahm ich Kontakt zu Clément Fabre de Lagrange auf. Die Turiner hatten mir ein bestimmtes Büro in einem unscheinbaren Gebäude an einer Straße genannt, deren Namen zu nennen mir die in meinem Beruf erworbene Vorsicht sogar in einem Tagebuch, das niemand jemals zu lesen bekommt, verbietet. Ich glaube, Langrange hatte mit der politischen Abteilung der Direction Générale de la Sûreté Publique zu tun, aber ich habe nie begriffen, ob er in dieser Pyramide an der Spitze oder an der Basis war. Er schien niemand anderem berichten zu müssen, und selbst unter der Folter hätte ich nichts von dieser ganzen politischen Informationsmaschinerie verraten können. Tatsächlich wusste ich nicht einmal, ob Lagrange ein Büro in jenem Gebäude besaß: Ich hatte ihm dorthin geschrieben, dass ich einen Empfehlungsbrief von Cavaliere Bianco für ihn hätte, und zwei Tage später erhielt ich ein Billet, das mich auf den Platz vor Notre-Dame bestellte. Ich würde ihn an einer roten Nelke im Knopfloch erkennen. Auch später bestellte er mich immer an die unwahrscheinlichsten Orte, in ein Cabaret, eine Kirche, einen Park, nie zweimal an denselben Treffpunkt.
    Lagrange brauchte damals ein bestimmtes Dokument, ich fabrizierte es ihm perfekt, er beurteilte mich sofort positiv, und seitdem arbeitete ich für ihn als indicateur , wie es informell in jenen Kreisen heißt. Dafür erhielt ich jeden Monat 300 Francs plus 130 für Spesen (mit Zulagen in besonderen Fällen, die Herstellung von Dokumenten war extra). Das Kaiserreich gab viel für seine Informanten aus, sicher mehr als das Königreich Piemont-Sardinien, ich hatte gehört, dass bei einem Gesamtetat der Polizei von sieben Millionen Francs jährlich allein zwei Millionen auf die politische Information entfielen. Andere Stimmen behaupteten, dass der Gesamtetat bei vierzehn Millionen lag, von denen jedoch auch die organisierten Ovationen bei der Vorbeifahrt des Kaisers, die korsischen Brigaden zur Überwachung der Mazzinianer, die Agents provocateurs und die echten Spione bezahlt werden mussten.
    Bei Lagrange verdiente ich mindestens 5000 Francs im Jahr, aber durch ihn war ich auch in eine private Klientel eingeführt worden, und so konnte ich relativ bald mein jetziges Studio (beziehungsweise den Trödlerladen als Deckung) eröffnen. Da ich für ein falsches Testament bis zu 1000 Francs berechnen konnte und ich die geweihten Hostien für 100 pro Stück verkaufte (denn es war nicht leicht, sie in größeren Mengen zu bekommen), brachte mir die Arbeit im Studio bei vier Testamenten und zehn Hostien im Monat weitere 5000 Francs ein, und mit 10000 Francs pro Jahr war ich das, was man in Paris einen gutsituierten Bürger nennt. Natürlich waren das nie sichere Einkünfte, und mein Traum war, nicht 10000 Francs Einkommen, sondern 10000 Francs Rendite zu erzielen, und bei den drei Prozent der Staatsanleihen (der sichersten) hätte ich dazu ein Kapital von gut 300000 Francs akkumulieren müssen. Eine Summe, die damals vielleicht in Reichweite

Weitere Kostenlose Bücher