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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Kloake begeben, um zu entscheiden, dass jene Knochen nicht die meinen sind? Mit Verlaub, das weiß ich schon. Daher glaube ich Ihnen: Sie haben einen Abbé Dalla Piccola umgebracht.
    Doch wer bin dann ich? Gewiss nicht der Dalla Piccola, den Sie umgebracht haben (der mir ja ohnehin gar nicht ähnlich sah), aber wie kann es zwei Abbés Dalla Piccola gegeben haben?
    Die Wahrheit ist, dass ich womöglich verrückt bin. Ich wage nicht, aus dem Hause zu gehen. Und doch werde ich ausgehen müssen, um mir etwas zu kaufen, denn mein Priestergewand verbietet mir, in Tavernen zu gehen. Ich habe keine so schöne Küche wie Sie – auch wenn ich, um die Wahrheit zu sagen, nicht weniger gefräßig bin.
    Mich erfasst ein ununterdrückbares Verlangen, mich umzubringen, aber ich weiß, dass es sich um eine Versuchung des Teufels handelt.
    Und außerdem, warum sollte ich mich umbringen, wenn Sie mich doch schon umgebracht haben? Das wäre doch vergeudete Zeit.
     
    7. April
    Sehr geehrter Abbé, jetzt reicht’s.
    Ich weiß noch gut, was ich gestern gemacht habe, und heute morgen habe ich Ihre Notiz gefunden. Hören Sie auf, sich zu quälen. Erinnern auch Sie sich nicht mehr? Dann machen Sie es wie ich, starren Sie lange auf Ihren Bauchnabel und fangen dann an zu schreiben, lassen Sie Ihre Hand für Sie denken. Warum muss immer ich es sein, der sich an alles erinnern soll, und Sie bloß an die wenigen Dinge, die ich vergessen wollte?
    In diesem Moment überfallen mich andere Erinnerungen. Kaum hatte ich Dalla Piccola umgebracht, bekam ich ein Billet von Lagrange, der mich diesmal auf der Place Fürstenberg treffen wollte, und das um Mitternacht, wenn dieser Ort wirklich sehr gespenstisch ist. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wie ängstliche Gemüter sagen, da ich soeben einen Menschen umgebracht hatte, und ich fürchtete (unsinnigerweise), dass Lagrange es schon wüsste. Dabei wollte er mich, wie es ja eigentlich auch zu erwarten war, wegen etwas ganz anderem sprechen.
    »Capitaine Simonini«, sagte er, »wir möchten, dass Sie einen kuriosen Typ im Auge behalten, einen… wie soll ich sagen… satanistischen Kleriker.«
    »Wo finde ich ihn? In der Hölle?«
    »Kein Scherz. Es handelt sich um einen gewissen Abbé Boullan, der vor Jahren eine Adèle Chevalier kennengelernt hat, eine Laienschwester des Konvents Saint-Thomas-de-Villeneuve in Soissons. Über sie kursierten mystische Gerüchte, sie sei von Blindheit geheilt und habe prophetische Weissagungen gemacht, viele Gläubige begannen zu dem Kloster zu strömen, ihre Oberen waren darüber nicht glücklich, woraufhin der Bischof sie aus Soissons fortschickte – und wie’s so geht, unsere Adèle wählte sich Boullan als ihren spirituellen Vater, was wieder mal zeigt, gleich und gleich gesellt sich gern. Sie beschließen, einen Verein zur tätigen Wiedergutmachung der Sünden zu gründen, soll heißen, unserem Herrn im Himmel nicht nur Gebete darzubringen, sondern verschiedene Formen von körperlicher Sühne, um ihn für die Beleidigungen zu entschädigen, die ihm die Sünder antun.«
    »Daran ist doch nichts Schlechtes, oder?«
    »Nur fingen sie dann an zu predigen, dass man, um sich von der Sünde zu befreien, sündigen müsse, dass die Menschheit von Anfang an entehrt worden sei durch den doppelten Ehebruch Adams mit Lilith und Evas mit Samael (und fragen Sie mich nicht, wer diese beiden sind, ich habe im Religionsunterricht nur von Adam und Eva gehört), kurzum dass man gewisse Dinge tun müsse, bei denen nicht ganz klar ist, worin sie bestanden, aber es scheint, dass der Abbé, die Laienschwester und viele ihrer Gläubigen sich zu etwas wirren Zusammenkünften trafen, bei denen jeder jeden missbrauchte. Und dazu kamen Gerüchte auf, dass der gute Abbé die Frucht seiner unerlaubten Liebe zu Adèle diskret habe verschwinden lassen. Lauter Dinge, werden Sie jetzt sagen, die eigentlich nicht uns interessieren, sondern die Polizeipräfektur, nur ist es dann soweit gekommen, dass auch Damen aus guter Familie, Gattinen hoher Beamter und sogar die Gattin eines Ministers zu dem Haufen gestoßen sind und dass Boullan diesen frommen Damen etliche Gelder abgeknöpft hat. Dadurch wurde die Sache von einer religiösen zu einer Staatsaffäre, und wir mussten uns ihrer annehmen. Die beiden wurden angezeigt, zu drei Jahren Gefängnis wegen Betrug und Beleidigung der guten Sitten verurteilt und Ende ’64 entlassen. Danach verloren wir diesen Abbé aus den Augen und dachten schon, er wäre

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