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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zu haben, dass ich von einer Person zu ihm geschickt worden sei, die anonym zu bleiben wünsche und einen Ritus praktizieren wolle, für den geweihte Hostien nötig seien.
    Boullan sagte höhnisch grinsend: »Eine schwarze Messe? Aber wenn ein Priester sie liest, ist er es doch, der die Hostien unmittelbar weiht, und die Sache wäre gültig, auch wenn die Kirche ihn des Priesteramtes enthoben hätte.«
    Ich präzisierte: »Ich glaube nicht, dass die Person, von der ich spreche, eine schwarze Messe von einem Priester lesen lassen will. Sie wissen doch, dass man in bestimmten Logen die Hostie zu erdolchen pflegt, um einen Eid zu besiegeln.«
     
     
     
    »Verstehe. Ich habe gehört, dass ein Trödler, der seinen Laden in der Nähe der Place Maubert hat, sich auch mit Hostienhandel befasst. Bei dem könnten Sie es probieren.«
    War das die Gelegenheit, bei der wir uns begegnet sind?

17.
Die Tage der Kommune
    9. April 1897
     
    Ich habe Dalla Piccola im September 1869 getötet. Im Oktober bestellte mich ein Billet von Lagrange diesmal an einen Quai der Seine.
    Solcherart sind die Scherze, die einem das Gedächtnis spielt. Vielleicht vergesse ich gerade Tatsachen von größter Bedeutung, aber ich erinnere mich an die Gemütsregung, die mich an jenem Abend unweit des Pont Royal erfasste, wo ich wie von einer plötzlichen Erleuchtung getroffen stehenblieb. Ich stand vor der Baustelle des neuen Gebäudes des Journal Officiel de l’Empire Français , die am Abend, um die Arbeiten zu beschleunigen, von elektrischem Licht erhellt wurde. Inmitten eines Waldes von Balken und Gerüsten konzentrierte eine Lichtquelle ihre Strahlen auf eine Gruppe von Maurern. Keine Worte können die magische Wirkung dieses im Dunkel aufleuchtenden Sternenglanzes beschreiben.
    Das elektrische Licht… In jenen Jahren fühlten die Törichten sich geradezu umstellt von der Zukunft. In Ägypten war ein Kanal eröffnet worden, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verband, so dass man, um nach Indien zu fahren, nicht mehr ganz Afrika umrunden musste (weshalb viele altehrwürdige Seefahrtsgesellschaften eingehen würden), in Paris hatte eine Weltausstellung stattgefunden, deren Bauten ahnen ließen, dass Baron Haussmanns Verunstaltung der Stadt nur ein Anfang war, in Amerika wurde eine Eisenbahnlinie quer durch den ganzen Kontinent gebaut, und da sie dort erst vor kurzem die Negersklaven befreit hatten, würde dieser Pöbel nun bald die ganze Nation überschwemmen und sie zu einem Sumpf von Gemischtrassigen machen, schlimmer als die Juden. Während des amerikanischen Bürgerkrieges zwischen Nord- und Südstaaten waren Unterseeboote eingesetzt worden, in denen die Seeleute nicht mehr durch Ertrinken, sondern durch Ersticken unter Wasser starben, die schönen Zigarren unserer Eltern wurden immer mehr durch schwindsüchtige Papierröhren ersetzt, die in einer Minute verbrannten und dem Raucher alle Freude nahmen, unsere Soldaten aßen seit einiger Zeit schlecht gewordenes, in Blechdosen konserviertes Fleisch. In Amerika war angeblich eine hermetisch geschlossene Kabine erfunden worden, die Menschen mit Hilfe eines wassergetriebenen Kolbens in die oberen Stockwerke von Gebäuden transportierte – und schon hörte man von Kolben, die am Samstagabend gebrochen waren, und von Leuten, die zwei Tage lang in dieser engen Kabine gefangensaßen, ohne Luft zu bekommen, zu schweigen von Wasser und Nahrung, so dass man sie am Montag tot aufgefunden hatte.
    Zugleich aber freuten sich alle, weil das Leben leichter wurde, man erfand Maschinen, die über große Entfernungen miteinander zu sprechen erlaubten, und andere, mit denen man ohne Feder und Tinte schreiben konnte. Würde es eines Tages noch Originale zu fälschen geben?
    Die Leute standen entzückt vor den Schaufenstern der Parfümerien und bestaunten die Wunder der Hautbelebung durch Lattich-Milchsaft, der Haarwuchsförderung durch Chinarinde, der Crème Pompadour mit Bananenwasser, der Kakaobutter, des Reispulvers mit Parma-Veilchen, lauter Erfindungen, um die laszivsten Frauen noch attraktiver zu machen, aber nun auch verfügbar für Näherinnen, die bereit waren, Mätressen zu werden, weil sie an ihrem Arbeitsplatz durch Maschinen ersetzt worden waren.
    Die einzige interessante Erfindung der neuen Zeit war eine Art Schüssel aus Porzellan, auf der man im Sitzen sein Geschäft verrichten konnte.
    Aber nicht einmal ich machte mir klar, dass all diese ach so aufregenden Neuerungen das Ende des Kaiserreiches

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