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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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über die Stirn läuft, ihm die Sicht trüben. Außerdem ist es die Überraschung, die zählt, in dem Moment ist der Gegner schon ausgeschaltet.
    Ist er ein unbedeutender Gegner, sagen wir ein kleiner Straßendieb, dann nimmst du deinen Stock und gehst davon, um ihn für den Rest seines Lebens entstellt zurückzulassen. Ist er jedoch ein eher heimtückischer Gegner, dann führst du nach dem ersten Hieb, fast als folgtest du der Dynamik deines Armes, noch einen zweiten in horizontaler Richtung und schneidest ihm glatt die Kehle durch, so dass er sich nicht mehr um Narben zu kümmern braucht.
    Im übrigen bietet man einen würdigen und honorigen Anblick, wenn man mit einem solchen Stock daherspaziert kommt. Er ist nicht eben billig, aber er ist sein Geld wert, und in manchen Fällen darf man nicht auf die Kosten achten.
     
    Eines Abends, als ich nach Hause kam, stand Lagrange vor dem Laden.
    Ich hob leicht meinen Stock, aber dann überlegte ich, dass die Dienste nicht einen wie ihn schicken würden, um einen wie mich zu liquidieren, und zeigte mich bereit, ihm zuzuhören.
    »Schönes Objekt«, sagte er.
    »Was?«
    »Der Dolchstock. Mit einem solchen Knauf kann er nur ein Dolchstock sein. Fürchten Sie jemanden?«
    »Sagen Sie mir, ob ich das müsste, Monsieur Lagrange.«
    »Sie fürchten uns, ich weiß es, weil Sie wissen, dass Sie sich verdächtig gemacht haben. Aber kommen wir zur Sache. Ein französisch-preußischer Krieg steht unmittelbar bevor, und unser Freund Stieber hat Paris mit seinen Agenten überzogen.«
    »Kennen Sie sie?«
    »Nicht alle, und hier kommen Sie ins Spiel. Da Sie Stieber Ihren Bericht über die Juden angeboten haben, betrachtet er sie als eine Person, die… wie soll ich sagen… zu haben ist. Einer von seinen Leuten ist nach Paris gekommen, dieser Goedsche, dem Sie ja, wenn ich mich recht entsinne, schon einmal begegnet sind. Wir nehmen an, dass er Sie aufsuchen wird. Werden Sie ein Spion der Preußen in Paris.«
    »Gegen mein Land?«
    »Seien Sie nicht heuchlerisch, es ist ja auch gar nicht Ihr Land. Außerdem werden Sie es für Frankreich tun. Sie werden den Preußen falsche Informationen geben, die wir Ihnen liefern.«
    »Das scheint mir nicht schwierig…«
    »Im Gegenteil, es ist brandgefährlich. Wenn Sie in Paris auffliegen, dürfen wir Sie nicht kennen und können nichts für Sie tun. Also wird man Sie erschießen. Wenn die Preußen entdecken, dass Sie doppeltes Spiel treiben, werden die Sie töten, wenn auch weniger legal. Deshalb haben Sie bei dieser Sache eine Wahrscheinlichkeit von, sagen wir, fünfzig Prozent, Ihr Leben einzubüßen.«
    »Und wenn ich ablehne?«
    »Dann sind es neunzig Prozent.«
    »Wieso nicht hundert?«
    »Wegen Ihres Dolchstocks. Aber verlassen Sie sich nicht zu sehr darauf.«
    »Ich wusste, dass ich aufrichtige Freunde bei den Diensten habe. Danke für Ihre Bemühungen. Also gut. Ich habe mich frei entschieden, das Angebot anzunehmen, aus Vaterlandsliebe.«
    »Sie sind ein Held, Capitaine Simonini. Warten Sie auf Anweisungen.«
     
    Eine Woche später erschien Goedsche in meinem Laden, verschwitzter als üblich. Der Versuchung, ihn zu erwürgen, war schwer zu widerstehen, aber ich widerstand.
    »Sie werden wissen, dass ich Sie für einen Plagiator und Fälscher halte«, sagte ich kühl.
    »Ich bin es nicht mehr als Sie«, erwiderte er mit öligem Lächeln. »Glauben Sie, ich hätte nicht entdeckt, dass Sie Ihre Geschichte vom Friedhof in Prag aus dem Buch jenes Maurice Joly haben, der dafür ins Gefängnis gekommen ist? Ich hätte es auch ohne Sie gefunden, Sie haben mir nur den Weg abgekürzt.«
    »Sind Sie sich darüber im klaren, Herr Goedsche, dass ich, wenn Sie hier als Ausländer auf französischem Boden agieren, bloß gewissen Leuten Ihren Namen zu nennen bräuchte, und Ihr Leben wäre keinen Pfifferling mehr wert?«
    »Sind Sie sich darüber im klaren, dass Ihr Leben kein bisschen kostbarer wäre, wenn ich, sollte man mich verhaften, Ihren Namen nennen würde? Also schließen wir Frieden. Ich versuche, dieses Kapitel meines Buches als wahre Nachricht an sichere Kunden zu verkaufen. Teilen wir uns den Gewinn, wo wir ja nun zusammenarbeiten müssen.«
    Wenige Tage vor dem Beginn des Krieges führte Goedsche mich auf das Dach eines Hauses unweit von Notre-Dame, auf dem ein alter Mann viele Taubenschläge unterhielt.
    »Dies ist ein guter Platz, um Brieftauben fliegen zu lassen, denn in der Nähe der Kathedrale gibt es Hunderte von Tauben, und niemand

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