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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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konnte, aber so werden diejenigen belohnt, die gegen das Kaiserreich und gegen den infamen Waffenstillstand gekämpft hatten. Jetzt scheint es, dass ganz Paris sich an dieser Utopie der Kommune berauscht, aber Sie ahnen nicht, wie viele versuchen, die Stadt zu verlassen, um keinen Wehrdienst leisten zu müssen. Es heißt, es stehe eine Zwangsaushebung für alle Männer von achtzehn bis vierzig bevor, aber sehen Sie nur, wie viele junge Kerle unbehelligt und dreist in den Straßen herumlaufen, und das in Vierteln, in die sich nicht mal die Nationalgarde hineintraut. Es sind nicht viele, die sich für die Revolution in den Tod schicken lassen wollen. Welch ein Trauerspiel!«
    Joly kam mir wie ein unheilbarer Idealist vor, der sich nie zufriedengibt mit der Art, wie die Dinge laufen, obwohl ich zugeben musste, dass es ihm wirklich nicht gut ergangen war. Aber sein Hinweis auf die Zwangsaushebung hatte mich beunruhigt, und so ließ ich mir Bart und Haare gebührend ergrauen. Jetzt sah ich wie ein gesetzter Sechzigjähriger aus.
    Im Gegensatz zu Joly traf ich auf den Plätzen und Märkten durchaus Leute, die viele neue Gesetze gut fanden, zum Beispiel die Rücknahme der Mieterhöhungen, die während der Belagerung von den Hausbesitzern vorgenommen worden waren, die Rückerstattung aller Arbeitswerkzeuge an die Arbeiter, die sie während derselben Zeit im Leihhaus versetzt hatten, die Pension für Witwen und Kinder der im Dienst gefallenen Nationalgardisten, die Verschiebung der Fälligkeit von Wechseln auf später. Lauter schöne Dinge, die die Gemeindekassen leerten und dem Pöbel zugute kamen.
    Wohingegen derselbe Pöbel (man brauchte nur die Reden an der Place Maubert und in den Bierlokalen der Gegend zu hören), während er die Abschaffung der Guillotine bejubelte (was natürlich ist), sich lauthals empörte über das Gesetz, das die Prostitution verbot, womit es viele Arbeiter des Viertels ins Elend stürzte. Alle Huren von Paris waren nämlich daraufhin nach Versailles emigriert, und ich weiß wirklich nicht, wo die braven Soldaten der Nationalgarde ihre Gelüste befriedigen sollten.
    Um das ultramontane Bürgertum gegen sich aufzubringen, erließ die Kommune schließlich noch antiklerikale Gesetze wie die Trennung von Kirche und Staat und die Konfiszierung der Kirchengüter – um nicht von den Gerüchten zu reden, die über die Verhaftung von Priestern und Ordensbrüdern umgingen.
     
    Mitte April drang eine Vorhut der Versailler Armee in die nordwestlichen Zonen bei Neuilly ein und erschoss alle Föderierten, die ihr in die Hände fielen. Vom Mont-Valérien aus wurde der Arc de Triomphe mit Kanonen beschossen. Wenige Tage später wurde ich Zeuge der unglaublichsten Episode dieser Belagerung: eines Defilees der Freimaurer. Nie hätte ich die Freimaurer auf seiten der Kommunarden vermutet, aber voilà, da paradierten sie mit ihren Standarten und Schürzen, um von der Versailler Regierung einen Waffenstillstand zu erbitten, damit die Verletzten aus den bombardierten Häusern geborgen werden konnten. Sie zogen bis zum Arc de Triomphe, wo solange keine Kanonenkugeln eintrafen, da der größere Teil ihrer Logenbrüder sicherlich außerhalb der Stadt bei den Legitimisten war. Aber auch wenn eine Krähe der anderen kein Auge aushackt und die Freimaurer von Versailles sich erfolgreich für einen eintägigen Waffenstillstand eingesetzt hatten, war die Vereinbarung doch eben hier getroffen worden, und die Freimaurer von Paris hatten sich auf die Seite der Kommune gestellt.
    Wenn ich im übrigen nur wenig von dem in Erinnerung habe, was in den Tagen der Kommune an der Oberfläche geschah, dann deshalb, weil ich Paris zu der Zeit vorwiegend unterirdisch durchquerte. Ein Bote von Lagrange hatte mir gesagt, was die hohen Militärs wissen wollten. Man stellt sich immer vor, dass Paris unterirdisch von einem Kanalisationssystem durchzogen ist, und davon sprechen auch gern die Romanciers, aber unter dem Netz der städtischen Abwässerkanäle gibt es bis an die Ränder der Stadt und darüber hinaus ein Gewirr von Höhlen und Gängen aus Kalkstein und Gips und antiken Katakomben. Von einigen weiß man viel, von anderen recht wenig. Die Militärs waren informiert über die Tunnel, die von den rings um Paris gelegenen Forts zur Stadtmitte führten, und als die Preußen kamen, hatten sie sich beeilt, viele Eingänge zu blockieren, um nicht ein paar böse Überraschungen zu erleben, aber die Preußen hatten gar nicht daran gedacht, auch

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