Die historischen Romane
Bootsbesitzer machten gute Geschäfte, indem sie die Touristen auf den See hinausfuhren, und man goss Öl aufs Wasser, um besser auf den Grund sehen zu können. Ein berühmter polnischer Archäologe schickte einen Artikel nach Hause, in dem er berichtete, er habe auf dem Seegrund eine Straßenkreuzung mit einer Reiterstatue darauf gesehen! Die Haupteigenschaft der Leute ist ihre Bereitschaft, alles zu glauben. Und bitte, wie hätte sich denn die Kirche fast zweitausend Jahre lang halten können, wenn es nicht diese allgemeine Leichtgläubigkeit gäbe?«
Simonini bat ihn um Informationen über den Tempel der Freunde der französischen Ehre .
»Ist es schwierig, in eine Loge einzutreten«, fragte er.
»Es genügt, sich in einer guten wirtschaftlichen Lage zu befinden und bereit zu sein, die gesalzenen Mitgliedsbeiträge zu bezahlen. Und sich gehorsam gegenüber den Maßnahmen zum wechselseitigen Schutz der Brüder zu zeigen. Und was die Moral betrifft, darüber wird viel geredet, aber noch voriges Jahr war der Sprecher des Großen Kollegiums der Riten ein Bordellbesitzer an der Chaussée d’Antin, und einer der Dreiunddreißig Einflussreichsten in Paris ist ein Spion, beziehungsweise der Chef eines Spionagebüros, was auf dasselbe hinausläuft, ein gewisser Hébuterne.«
»Was muss man tun, um aufgenommen zu werden?«
»Dafür gibt es Riten! Ah, wenn Sie wüssten! Ich weiß ja nicht, ob die Freimaurer wirklich an diesen Großen Artifex des Universums glauben, von dem sie immer reden, aber sicher nehmen sie ihre Liturgien ernst. Wenn Sie wüssten, was ich alles tun musste, um als Lehrling aufgenommen zu werden!«
Und hier begann Taxil mit einer Reihe von Erzählungen, die einem die Haare zu Berge stehen ließen.
Simonini war sich nicht sicher, dass dieser eingefleischte Flausenerfinder ihm keine Märchen erzählte. Er fragte ihn, ob er nicht meine, dass er hier Dinge enthülle, die ein Freimaurer eifersüchtig zu hüten und für sich zu behalten hätte, und ob er das ganze Ritual nicht eher grotesk beschrieben habe. Darauf erwiderte Taxil leichthin: »Ach, wissen Sie, ich habe keine Verpflichtungen mehr. Diese Idioten haben mich ausgeschlossen.«
Offenbar hatte er seine Finger mit dringehabt, als eine neue Zeitung in Montpellier, Le Midi Républicain , in ihrer ersten Nummer eine Reihe von Glückwunsch- und Solidaritätsadressen berühmter Persönlichkeiten brachte, darunter Victor Hugo und Louis Blanc. Danach aber schickten alle diese angeblichen Briefschreiber plötzlich freimaurerisch inspirierte Briefe an andere Zeitungen, in denen sie behaupteten niemals den Midi Républicain unterstützt zu haben, und sich über den schamlosen Missbrauch ihrer Namen beschwerten. Es kam zu einer Reihe von Prozessen vor der Loge, in denen Taxils Verteidigung darin bestand, erstens die Originale jener Briefe vorzulegen und zweitens das Verhalten Victor Hugos mit der Senilität jenes illustren Greises zu erklären – wodurch er sein erstes Argument mit einer inakzeptablen Beleidigung eines Großen sowohl des Vaterlandes als auch der Freimaurerei befleckte.
Hier nun fiel Simonini wieder ein, wie er damals die beiden Briefe von Victor Hugo und Louis Blanc fabriziert hatte. Offenbar hatte Taxil diese Geschichte vergessen; er war so sehr daran gewöhnt zu lügen, sogar sich selbst gegenüber, dass er von diesen Briefen mit leuchtenden Augen und im besten Glauben sprach, als wären sie echt gewesen. Und falls er sich vage an einen Notar Simonini erinnerte, brachte er ihn jedenfalls nicht in Zusammenhang mit dem Notar Fournier.
Entscheidend war jedoch, dass Taxil einen tiefen Hass auf seine einstigen Logenbrüder bekundete.
Simonini begriff sofort, dass er, wenn er Taxils narrative Ader anbohrte, pikantes Material für Osman-Bey bekommen würde. Aber in seinem fiebrig arbeitenden Hirn entwickelte sich noch eine andere Idee, erst nur als vage Intuition, als Keim einer Inspiration, aber dann als ein fast in allen Einzelheiten ausgefeilter Plan.
Nach ihrer ersten Begegnung, in deren Verlauf sich Taxil als tüchtiger Esser erwiesen hatte, lud ihn der falsche Notar ins Père Lathuile ein, ein kleines volkstümliches Restaurant am Rande von Clichy, wo es ein famoses poulet sauté und die noch berühmteren tripes à la mode de Caen gab, um nicht von den Weinen zu sprechen, und zwischen zwei genüsslichen Schmatzern fragte er ihn, ob er nicht Lust hätte, für einen Verlag – und natürlich für ein angemessenes Honorar – seine
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