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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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genießt. Er hat über Vaillant geschrieben: »Was kümmern uns die Opfer, wenn es eine schöne Geste war?« Für den Staat sind Leute wie Tailhade gefährlicher als Vaillant, denn ihnen kann man nicht so leicht den Kopf abschlagen. Man muss diesen Intellektuellen, die nie den Zoll für ihre Reden zahlen, eine öffentliche Lektion erteilen.«
    Die Lektion sollte von Simonini und Gaviali organisiert werden. Wenige Wochen später ging im Restaurant Foyot, genau in der Ecke, wo Tailhade gewöhnlich seine teuren Menüs zu speisen pflegte, eine Bombe hoch, die ihn ein Auge kostete (Gaviali war wirklich ein Genie, die Bombe war absichtlich so konstruiert worden, dass ihr Opfer nicht daran starb, sondern nur schwer genug verletzt wurde). Die regierungsnahen Zeitungen hatten leichtes Spiel, sarkastische Kommentare von der Art zu schreiben: »Und nun, Monsieur Tailhade, war das jetzt eine schöne Geste?« Ein schöner Coup jedenfalls für die Regierung, für Gaviali und für Simonini. Und Tailhade hatte außer einem Auge auch seine Reputation verloren.
    Am zufriedensten war Gaviali, und Simonini sagte sich, dass es doch schön war, jemandem wieder zu Leben und Kredit zu verhelfen, der beides unseligerweise durch die unseligen Wechselfälle des Lebens verloren hatte.
     
    Es gab noch andere Aufgaben, mit denen Hébuterne in diesen Jahren Simonini betraute. Der Panamaskandal hörte langsam auf, die öffentliche Meinung zu beeindrucken, denn wenn die Nachrichten immer dieselben sind, erzeugen sie bald Langeweile. Drumont hatte mittlerweile das Interesse daran verloren, aber andere bliesen noch immer ins Feuer, und natürlich war die Regierung besorgt über dieses (wie es dann gerne heißt) Wiederaufrühren alter Geschichten. Man musste die öffentliche Aufmerksamkeit von den Nachbeben dieses alten Skandals ablenken, und so bat Hébuterne Simonini, einen schönen Aufruhr zu organisieren, der geeignet war, die ersten Seiten der Gazetten zu füllen.
    Einen Aufruhr zu organisieren sei nicht leicht, meinte Simonini, worauf Hébuterne ihm nahegelegte, es einmal bei den Studenten zu versuchen, die seien doch immer am ehesten geneigt, Krawall zu machen. Etwas bei den Studenten anzetteln und dann einen Spezialisten für öffentliche Unordnung einschleusen, das sei die beste Methode.
    Simonini hatte zwar schon lange keinen Kontakt mehr mit der studentischen Welt, aber ihm war sofort klar, dass unter den Studenten am ehesten diejenigen in Frage kamen, die revolutionäre Neigungen hatten, am besten anarchistische. Und wer kannte sich besser als jeder andere in den Kreisen der Anarchisten aus? Derjenige, der sie beruflich unterwanderte und denunzierte, also Ratschkowski. So begab er sich zu Ratschkowski, der ihn mit einem Lächeln, das alle seine Wolfszähne zeigte, aber freundlich sein wollte, nach dem Grund des Besuches fragte.
    »Ich brauche nur ein paar Studenten, die auf Kommando Krawall machen.«
    »Das ist leicht«, sagte der Russe, »gehen Sie ins Château-Rouge.«
    Das Château-Rouge war dem Anschein nach eine Armenküche für die Bedürftigsten des Quartier Latin, in der Rue Galande. Es befand sich hinten in einem Hof, hatte eine blutrot gestrichene Fassade, und wenn man eintrat, überfiel einen sofort ein Gestank von ranzigem Fett, Schimmel und immer wieder neu aufgekochter Suppe, deren Dampf mit den Jahren so etwas wie harte, fühlbare Spuren auf den schmierigen Wänden hinterlassen hatte. Dabei war nicht erkennbar, warum und wieso, denn in dieses Lokal musste man sich das Essen selber mitbringen, das Haus bot nur den Wein, den Teller und das Besteck. Ein pestilenzialischer Nebeldunst, bestehend aus Tabaksqualm und Emanationen aus Gashähnen, schien Dutzende von Clochards betäubt zu haben, die nebeneinander an Tischen sitzend, zu dritt oder viert pro Seite, einer an die Schulter des anderen gelehnt, in Schlaf gesunken waren.
    Doch in den beiden hinteren Sälen fanden sich keine Vagabunden, sondern alte, billig aufgetakelte Nutten, vierzehnjährige Hürchen mit schon unverschämter Miene, geränderten Augen und den blassen Zeichen der Tuberkulose, und Stadtteilgauner mit dicken Ringen voll falscher Steine und Gehröcken, die besser als die Lumpen im ersten Saal waren. Mitten in diesem stinkenden Durcheinander spazierten gutgekleidete Herren und Damen im Abendkleid umher, denn ein Besuch im Château-Rouge war zu einem aufregenden Abenteuer geworden, das man sich nicht entgehen lassen durfte: Spätabends, nach dem Theater, trafen

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