Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
ein Bild des Mörders zu erkennen. William untersuchte die Hände des Toten, wohl um zu sehen, ob an den Fingern schwarze Flecken waren, mochte in diesem Falle die Todesursache auch ganz offenkundig eine andere sein. Doch Severin hatte die weichen Lederhandschuhe an, die ich zuweilen an ihm gesehen hatte, wenn er mit gefährlichen Kräutern, giftigen Echsen oder unbekannten Insekten hantierte.
    Unterdessen wandte sich Bernard an den Cellerar: »Remigius von Varagine, so heißt du doch, oder? Ich habe dich aufgrund anderer Beschuldigungen und um einen anderen Verdacht zu erhärten durch meine Männer suchen lassen. Jetzt sehe ich, dass ich richtig gehandelt habe, wenn auch leider zu spät, was ich sehr bedauere. Hochwürden«, wandte er sich an den Abt, »ich fühle mich fast ein wenig mitverantwortlich für dieses Verbrechen, denn seit heute Morgen wusste ich, dass dieser Mann zu verhaften ist – nach allem, was jener andere Elende mir heute Nacht enthüllt hatte. Aber Ihr habt ja selbst gesehen, dass ich in den letzten Stunden von anderen Pflichten in Anspruch genommen war, und meine Männer haben ihr Bestes getan...«
    Während er sprach, und er hatte mit lauter Stimme gesprochen, damit alle ihn hören konnten (und der Raum war inzwischen gesteckt voll mit Neugierigen, die in jeden Winkel krochen, das herumliegende Zeug begafften, einander den Toten zeigten und aufgeregt miteinander tuschelten), entdeckte ich im Gedränge den Bibliothekar, der finsteren Blickes die Szene betrachtete. Auch der Cellerar sah ihn jetzt, als er gerade abgeführt werden sollte. Er entwand sich mit einem heftigen Ruck den Griffen der Bogenschützen, stürzte zu seinem Mitbruder, packte ihn an der Brust und redete einen Moment lang hastig und leise auf ihn ein, bis die Bogenschützen ihn wegzerrten. Als sie ihn rüde hinausstießen, wandte er sich auf der Schwelle noch einmal um und rief zu Malachias: »Schwöre, und ich werde auch schwören!«
    Malachias antwortete nicht sofort, als suche er noch die richtigen Worte. Dann aber rief er dem Cellerar nach: »Ich werde nichts gegen dich tun!«
    William und ich sahen einander an. Was mochte diese Szene bedeuten? Auch Bernard Gui hatte sie bemerkt, schien aber nicht überrascht zu sein, sondern lächelte Malachias verstohlen zu, wie um dessen Worte zu billigen und ein komplizenhaftes Einverständnis mit ihm zu besiegeln. Dann verkündete er, gleich nach dem Mittagsmahl werde im Kapitelsaal ein erstes Tribunal abgehalten, um die öffentliche Untersuchung des Falles einzuleiten, befahl, den Cellerar gut zu verwahren, ohne ihn mit Salvatore reden zu lassen, und ging hinaus.
    Im selben Moment hörten wir hinter uns eine leise Stimme. Es war Benno. »Ich bin gleich nach euch hereingekommen«, raunte er uns zu, »als der Raum noch halbleer war, und da war Malachias nicht da.«
    »Er wird später gekommen sein«, meinte William.
    »Nein«, versicherte Benno. »Ich stand an der Tür, ich habe alle gesehen, die hereinkamen. Ich sage Euch: Malachias war schon drinnen... vorher.«
    »Wann vorher?«
    »Bevor der Cellerar hereinkam. Ich kann's nicht beschwören, aber ich glaube, er trat dort hinter dem Vorhang hervor, als es hier von Neugierigen wimmelte.« Er deutete auf einen breiten Vorhang im hinteren Teil des Raumes, der ein Bett verdeckte, auf welches Severin seine Patienten zu legen pflegte, wenn sie Ruhe brauchten nach einer Behandlung.
    »Willst du damit andeuten, dass Malachias Severin umgebracht hat und sich dort versteckte, als der Cellerar kam?«
    »Oder dass er von dort aus miterlebt hat, was hier geschehen ist. Warum sonst hätte ihn der Cellerar so angefleht, nichts gegen ihn zu tun, dann werde auch er nichts gegen ihn tun?«
    »Mag sein«, sagte William. »In jedem Falle war hier ein Buch, und es müsste auch jetzt noch hier sein, denn weder der Cellerar noch Malachias haben es fortgetragen.«
    William wusste aus meinem Bericht, dass Benno Bescheid wusste, und jetzt brauchte er Hilfe. Er ging zum Abt, der traurig vor Severins Leichnam stand, und bat ihn, alle hinauszuschicken, damit der Tatort genauer untersucht werden könne. Der Abt entsprach der Bitte und ging selber hinaus, nicht ohne William skeptisch anzusehen, als wollte er ihm vorwerfen, dass er immer zu spät komme. Malachias schob allerlei durchsichtige Gründe vor, um bleiben zu dürfen, doch William wies ihn kühl darauf hin, dies sei nicht die Bibliothek und folglich könne er hier keine Sonderrechte beanspruchen. Mein Meister

Weitere Kostenlose Bücher