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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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als Träume.«

 
     
    Sechster Tag
SEXTA
    Worin die Geschichte der Bibliothekare ergründet wird und man noch einiges mehr über das geheimnisvolle Buch erfährt.
     
    W illiam eilte sofort ins Skriptorium zurück, ließ sich von Benno die Erlaubnis zur Benutzung des Kataloges geben und blätterte ihn rasch durch. »Es muss hier irgendwo sein«, sagte er, »ich hab’s noch vor einer Stunde gesehen... Ah, hier ist es ja! Lies diese Eintragung!«
    Unter einer gemeinsamen Signatur (»finis Africae«!) standen vier Titel, es handelte sich ganz offensichtlich um einen Band mit verschiedenen Texten. Ich las:
     
I.
ar. de dictis cujusdam stulti
II.
syr. libellus alchemicus aegypt.
III.
Expositio Magistri Alcofribae de coena beati Cypriani Cartaginensis Episcopi
IV.
Liber acephalus de stupris virginum et meretricum amoribus
     
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Unser Buch«, flüsterte William. »Jetzt weißt du, was mir dein Traum enthüllt hat. Ich bin ganz sicher, das muss es sein! Lass mal sehen...« Rasch ging er die Titel auf den Seiten vor und nach der ominösen Eintragung durch. »Ja, tatsächlich, hier stehen alle Bücher beisammen, an die ich gedacht hatte! Aber ich wollte noch etwas anderes nachprüfen. Hör zu. Hast du deine Tafel bei dir? Gut, wir werden jetzt nämlich eine kleine Berechnung machen. Versuch dich bitte genau zu erinnern, was uns gestern der alte Alinardus gesagt hat und was wir heute Morgen von Nicolas erfahren haben. Also: Nicolas sagte, er sei vor rund dreißig Jahren in die Abtei gekommen, und da war Abbo schon Abt. Sein Vorgänger war ein gewisser Paulus von Rimini, stimmt’s? Wann mag der Wechsel stattgefunden haben? Sagen wir: um 1290, auf ein Jahr mehr oder weniger kommt’s nicht an. Außerdem sagte Nicolas, bei seiner Ankunft sei Robert von Bobbio noch Bibliothekar gewesen, richtig? Und als Robert dann starb, wurde Malachias zu seinem Nachfolger ernannt. Sagen wir: um die Jahrhundertwende. Schreib. Ferner gab es vor Nicolas’ Ankunft eine Zeit, in der Paulus von Rimini Bibliothekar war. Von wann bis wann? Wir wissen es nicht. Wir könnten natürlich die Chroniken der Abtei befragen, aber die liegen vermutlich beim Abt, und den möchte ich im Augenblick nicht so gern darum bitten. Nehmen wir hypothetisch an, dass Paulus vor ungefähr sechzig Jahren zum Bibliothekar ernannt worden war, sagen wir: um 1265. Schreib. Wieso beklagt sich Alinardus darüber, dass vor ungefähr fünfzig Jahren der Posten des Bibliothekars, der eigentlich ihm gebührt hätte, einem anderen gegeben wurde? Meint er mit diesem anderen Paulus von Rimini?«
    »Oder Robert von Bobbio!«
    »Mag sein. Aber sieh dir jetzt einmal diesen Katalog an. Wie Malachias uns am ersten Tag sagte, werden die Titel hier in der Reihenfolge ihres Erwerbs eingetragen. Und wer trägt sie ein? Der Bibliothekar. Also können wir am Wechsel der verschiedenen Schriften die Abfolge der Bibliothekare rekonstruieren. Gehen wir den Katalog von hinten nach vorn durch. Die letzte Schrift ist die von Malachias, hier, schau her, sehr gotisch. Sie füllt nur wenige Seiten. Offenbar hat die Abtei in den letzten dreißig Jahren nicht viele neue Bücher erworben. Dann folgen einige Seiten mit einer zittrigen Schrift, in der ich unschwer die Hand des kranken Robert von Bobbio erkenne. Auch diesmal sind es nur wenige Seiten, Robert war wohl nicht lange im Amt. Und jetzt, was finden wir hier? Seiten und Seiten mit einer geraden und sicheren Schrift, eine lange Reihe von Neuerwerbungen (darunter auch die Gruppe der Bücher, die ich vorhin durchgesehen habe), wirklich sehr eindrucksvoll! Wie viel muss Paulus von Rimini gearbeitet haben! Zu viel, wenn man bedenkt, dass er schon als relativ junger Mann Abt geworden ist, wie Nicolas sagte. Und selbst angenommen, dieser unersättliche Leser hätte wirklich die Bibliothek in wenigen Jahren um so viele Bücher bereichert – sagte Nicolas nicht, dass man ihn Abbas agraphicus nannte, weil er aufgrund eines sonderbaren Gebrechens nicht schreiben konnte? Wer hat das hier geschrieben? Ich würde sagen: sein Adlatus. Aber angenommen, dieser Adlatus wäre später selbst zum Bibliothekar ernannt worden, so hätte er weitergeschrieben, und das würde erklären, warum hier so viele Eintragungen in derselben Schrift stehen. Demnach hätte es also zwischen Paulus und Robert noch einen anderen Bibliothekar gegeben, der vor ungefähr fünfzig Jahren ernannt worden sein könnte, und –ja, natürlich! – das muss

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