Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Verbrechen verhindern können, wenn du mir gestern geholfen hättest! Du warst es, der Malachias das tödliche Buch gegeben hat! Aber sag mir jetzt wenigstens eins: Hast du das Buch in die Hände genommen, hast du es berührt, hast du es gelesen? Wie kommt es, dass du noch lebst?«
    »Ich weiß nicht. Ich schwöre, ich habe es nicht berührt, beziehungsweise nur, um es aus dem Laboratorium zu holen, aber ohne es aufzuschlagen, ich habe es unter die Kutte genommen und in meiner Zelle unter der Matratze versteckt. Ich wusste, dass Malachias mich beobachtete, und deshalb bin ich sofort ins Skriptorium zurückgegangen. Und als mir Malachias dann den Posten seines Gehilfen anbot, habe ich ihn in meine Zelle geführt und ihm das Buch gegeben. Das war alles.«
    »Willst du mir weismachen, dass du es nicht einmal aufgeschlagen hast?«
    »Doch, ich habe es ganz kurz aufgeschlagen, um mich zu vergewissern, ob es auch wirklich das Gesuchte war. Es begann mit einem arabischen Text, denn kam einer, der mir syrisch erschien, dann ein lateinischer und schließlich ein griechischer...«
    Ich entsann mich der vier Titel, die wir vorhin im Katalog gelesen hatten. Die ersten beiden waren mit »ar.« und »syr.« bezeichnet. Es war wirklich das Buch! Aber schon stieß William nach: »Du hast es also berührt und bist nicht daran gestorben. Man stirbt also nicht an der bloßen Berührung! Nun zu dem griechischen Text: Was kannst du mir darüber sagen? Hast du ihn angesehen?«
    »Nur ganz kurz, gerade lang genug, um festzustellen, dass er keinen Titel trug und mitten im Satz begann, als ob der Anfang fehlte...«
    »Liber acephalus...«, murmelte William.
    »Ich habe die erste Seite zu lesen versucht, aber um ehrlich zu sein, ich kann nicht besonders gut Griechisch, ich hätte mehr Zeit dafür gebraucht. Außerdem gab es da noch eine andere Besonderheit, die meine Neugier weckte, gerade bei den griechischen Seiten. Ich habe den Text nicht ganz durchgeblättert, weil es nicht ging: Die Seiten waren... wie soll ich sagen... wie durchtränkt von Feuchtigkeit, sie ließen sich kaum voneinander lösen. Zumal das Pergament irgendwie seltsam war, weicher als sonst Pergamente... Die Art, wie die erste Seite zerfaserte, fast zerfiel, das war... nun ja, eben seltsam...«
    »Seltsam – denselben Ausdruck benutzte auch Severin«, warf William ein.
    »Das Pergament sah nicht wie Pergament aus... eher wie Stoff, aber ganz dünner...«
    »Charta lintea oder, wie die Spanier sagen, pergamino de pano!« rief William aus. »Leinenpapier! Hast du das noch nie gesehen?«
    »Gehört habe ich schon davon, aber gesehen habe ich’s, glaub ich, noch nie. Es soll sehr teuer sein und sehr empfindlich. Deswegen wird es selten benutzt. Die Araber stellen es her, nicht wahr?«
    »Sie waren die ersten, aber es wird auch hier in Italien hergestellt, in Fabriano. Und auch... aber ja, natürlich!« Williams Augen funkelten plötzlich. »Was für eine schöne und interessante Entdeckung! Bravo, Benno, jetzt wird mir vieles klar! Papier ist vermutlich sehr selten in dieser Bibliothek, weil sie in den letzten Jahrzehnten nicht viele neue Bücher erworben hat. Außerdem fürchten viele, dass es die Jahrhunderte nicht so gut überdauert wie Pergament, und das stimmt wohl auch. Man stelle sich vor, sie wollten hier etwas haben, das nicht dauerhafter als Bronze ist... Papier also, sieh mal an! Sehr gut, Benno, ich danke dir. Und hab keine Angst mehr, du bist außer Gefahr.«
    »Wirklich, William? Seid Ihr sicher?«
    »Ganz sicher. Wenn du auf deinem Posten bleibst. Du hast schon genug angerichtet.«
    Wir ließen Benno ruhiger, wenn auch noch nicht vollends beruhigt zurück und gingen durch das Skriptorium hinaus.
    »So ein Idiot!« knurrte William auf der Treppe. »Wir hätten den ganzen Fall schon aufklären können, wenn er nicht dazwischengekommen wäre...«
    Unten im Refektorium stießen wir auf den Abt. William bat ihn um eine Unterredung. Abbo konnte nicht länger ausweichen und sagte, wir sollten ein paar Minuten später in seine Wohnung kommen. Draußen war es jetzt klar, ein leichter Wind hatte sich erhoben.

 
     
    Sechster Tag
NONA
    Worin der Abt nicht hören will, was ihm William zu sagen hat, sich stattdessen über die Sprache der Edelsteine verbreitet und den Wunsch äußert, dass die peinlichen Vorfälle in der Abtei nicht weiter ergründet werden.
     
    D ie Wohnung des Abtes lag hoch über dem Kapitelsaal. Aus den Fenstern des großen und luxuriös

Weitere Kostenlose Bücher