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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Isaakios war in der Hagia Sophia von einflussreichen Persönlichkeiten wie seinem Onkel Johannes Dukas besucht worden, Isaakios hielt weiter Reden vor der immer größer werdenden Menge, gegen Abend hatte sich in der Kirche eine große Anzahl von Bürgern schützend um ihn versammelt, und manche begannen zu raunen, es sei an der Zeit, mit dem Tyrannen Schluss zu machen.
    Ob nun Isaakios schon länger einen Staatsstreich plante, wie es Zosimos' Hokuspokus behauptet hatte, oder ob er sich bloß einen Fehler seiner Feinde zunutze machte – es war klar, dass der Thron des Andronikos nunmehr wankte. Und es war ebenso klar, dass es in dieser Situation verrückt gewesen wäre, sich in den kaiserlichen Palast zu begeben, der jeden Moment zu einem öffentlichen Schlachthaus werden konnte. So beschlossen unsere Freunde, in den Ruinen von Katabate abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.
    Am nächsten Morgen wimmelte es in der Stadt von Bürgern, die lauthals forderten, dass Andronikos eingesperrt und Isaakios zum Kaiser gekrönt werden solle. Das Volk stürmte die Gefängnisse und befreite viele unschuldige Opfer des Tyrannen, darunter viele aus angesehenen Familien, die sich sofort dem Aufstand anschlossen. Aber mehr als ein Aufstand war es inzwischen eine Rebellion, ja eine Revolution, eine Machtergreifung. Die Bürger liefen bewaffnet durch die Straßen, die einen mit Schwert und Rüstung, die anderen mit Keulen und Knüppeln. Einige von ihnen, darunter nicht wenige Würdenträger des Reiches, die entschieden hatten, dass der Moment gekommen sei, sich einen anderen Selbstherrscher zu wählen, ließen die Krone Konstantins des Großen herab, die in der Hagia Sophia über dem Hauptaltar hing, und krönten Isaakios zum Kaiser.
    Danach strömte die Menge kampflustig aus der Kirche und umzingelte den Palast. Andronikos machte einen verzweifelten Versuch, sich zu wehren, indem er Pfeile aus den Scharten des höchsten Turmes schoss, den man den Kentenarion nannte, aber dann musste er vor dem wütenden Andrang seiner Untertanen weichen. Es hieß, er habe sich das Kreuz vom Halse gerissen, die purpurnen Schuhe ausgezogen, sich eine barbarische Filzmütze auf den Kopf gestülpt und sei durch die labyrinthischen Gänge des Bukoleon auf sein Schiff geeilt, zusammen mit seiner Frau Anna und der Dirne Marapikte, in die er leidenschaftlich verliebt war. Isaakios hielt triumphalen Einzug in den Palast, die Menge strömte mit ihm hinein, ergoss sich in alle Räume und plünderte nicht nur die Münzstätte, die man die Chrysioplysia oder Goldwäsche nannte, sondern auch die Waffenkammern und sogar die Kirchen des Palastes, wo sie die Ornamente von den heiligen Bildern rissen.
    Alle diese Nachrichten ließen Zosimos immer heftiger zittern, denn schon wurde berichtet, dass jeder, den man als Komplizen des Andronikos erkannte, auf der Stelle hingerichtet wurde. Im übrigen hielten es auch Baudolino und die Seinen nicht für geraten, sich gerade jetzt in die Gänge des Bukoleon zu wagen. So verbrachten unsere Freunde, ohne etwas anderes tun zu können als zu essen und zu trinken, noch einige Tage in den Ruinen von Katabate.
    Bis sie dann erfuhren, dass Isaakios aus dem Bukoleon in den Blachernenpalast im äußersten Norden der Stadt umgezogen war. Somit war nun der Bukoleon vielleicht nicht mehr so gut bewacht (weil es dort nichts mehr zu plündern gab) und leer genug. Gerade an jenem Tag war der flüchtende Andronikos an der Küste des Schwarzen Meeres gefangen und vor Isaakios gebracht worden. Der hatte ihn der allgemeinen Misshandlung preisgegeben, die Höflinge waren mit Schlägen und Tritten über ihn hergefallen, hatten ihm den Bart gerauft, die Zähne eingeschlagen, die Haare ausgerissen, dann wurde ihm mit einem Beil die rechte Hand abgehackt, und so war er in den Kerker geworfen worden.
    Als die Nachricht kam, dass in der Stadt Freudentänze und Festlichkeiten auf allen Plätzen begonnen hatten, fand Baudolino, dass sie es nun wagen konnten, sich in der allgemeinen Verwirrung zum Bukoleon durchzuschlagen. Zosimos gab zu bedenken, dass ihn jemand erkennen könnte, doch unsere Freunde sagten, er solle sich keine Sorgen machen. Sie bewaffneten sich mit allen verfügbaren Instrumenten und schoren ihm gründlich den Kopf, sowohl Haupthaar wie Bart, während er lauthals klagte und zeterte, dass er sich ohne diese Insignien mönchischer Würde entehrt fühle. Tatsächlich erinnerte Zosimos, als er dann kahl wie ein Ei vor ihnen

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