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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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unermüdlich nach ihm Ausschau zu halten, wünsche ich euch einen glücklichen Aufenthalt in Pndapetzim«, sprach er mit Knabenstimme. »Dies sage ich euch im Namen des Diakons Johannes, ich, Praxeas, Oberhaupt der Eunuchen am Hofe, Protonotarios der Provinz, einziger Legat des Diakons beim Priester, oberster Wächter und Logothet des Geheimen Weges.« Er sprach, als müssten auch Magier von so viel Würde beeindruckt sein.
    » Oh, basta là «, murmelte Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula, »hört euch bloß den an!«
    Baudolino hatte schon oft darüber nachgedacht, wie er sich dem Priester Johannes vorstellen würde, aber noch nie, wie man sich einem Obereunuchen im Dienst des Diakons eines Priesters vorstellte. So beschloss er, sich an das zu halten, was sie sich vorgenommen hatten. »Herr«, sagte er, »groß ist unsere Freude, in diese edle, reiche und wunderbare Stadt Pndapetzim gelangt zu sein, die schönste und blühendste, die wir auf unserer Reise gesehen haben. Wir kommen von weit her, um dem Priester Johannes die höchste Reliquie der Christenheit zu bringen: den Kelch, aus welchem Unser Herr Jesus während des Letzten Abendmahles getrunken hat. Leider hat der Dämon, neiderfüllt, wie er ist, die Kräfte der Natur gegen uns entfesselt und einen unserer Mitbrüder unterwegs sich verirren lassen, dummerweise gerade den, der das Geschenk bei sich trug und mit ihm weitere Zeugnisse unserer Hochachtung für den Priester ...«
    »Wie beispielsweise«, fügte der Poet hinzu, »hundert Barren massives Gold, zweihundert große Affen, eine Krone aus tausend Goldlire mit Smaragden, zehn unschätzbare Perlenschnüre, achtzig Kästen Elfenbein, fünf Elefanten, drei gezähmte Leoparden, dreißig menschenfressende Hunde und dreißig Kampfstiere, dreihundert Elefantenzähne, tausend Pantherfelle und dreitausend Stangen Ebenholz ...«
    »Wir hatten schon von diesen uns unbekannten Reichtümern und Substanzen gehört, an denen das Land der untergehenden Sonne Überfluss hat«, sagte Praxeas mit glänzenden Augen, »und gelobt sei der Himmel, dass ich sie sehen darf, bevor ich dieses Jammertal verlasse!«
    »Kannst du nicht irgendwann mal dein Schandmaul halten?« zischelte der Boidi dem Poeten von hinten ins Ohr und boxte ihm in den Rücken. »Wenn nun Zosimos auftaucht, und sie sehen, dass er noch abgebrannter ist als wir?«
    »Sei still«, knurrte der Poet schiefmäulig zurück, »wir haben doch schon gesagt, dass der Dämon im Spiel ist, und der hat eben alles verschlungen. Alles außer dem Gradal.«
    »Aber wenigstens ein Geschenk, irgendein Gastgeschenk bräuchten wir jetzt, um ihnen zu zeigen, dass wir keine Bettler sind«, zischelte der Boidi weiter.
    »Vielleicht ein Täuferkopf?« erwog Baudolino.
    »Wir haben nur noch fünf«, sagte der Poet, immer ohne die Lippen zu bewegen, »aber was soll's, solange wir im Reich sind, können wir die vier anderen ohnehin nicht hervorziehen.«
    Baudolino wusste als einziger, dass es mit dem, den er sich von Abdul genommen hatte, noch sechs Köpfe waren. Er holte einen davon aus seinem Reisegepäck, überreichte ihn Praxeas und sagte dazu, einstweilen – in Erwartung des Ebenholzes, der Leoparden und all der anderen schönen Sachen – möge er dem Diakon die einzige auf dieser Erde noch verbliebene Erinnerung an denjenigen überreichen, der Unseren Herrn Jesus Christus getauft habe.
    Bewegt nahm Praxeas das Geschenk entgegen, das in seinen Augen unschätzbar sein musste, schon wegen des schimmernden Schreins, der, wie er meinte, gewiss aus jener kostbaren gelben Substanz war, von der er schon so viel Fabelhaftes gehört hatte. Begierig, die heilige Reliquie zu verehren, und mit der Miene dessen, der jedes dem Diakon gemachte Geschenk als sein Eigentum betrachtete, klappte er den Kopf mühelos auf (woran Baudolino sah, dass es der von Abdul mit dem schon aufgebrochenen Siegel war), nahm den zusammengeschrumpften bräunlichen Schädel, das Werk des ingeniösen Ardzrouni heraus, hielt ihn hoch und rief mit gebrochener Stimme, noch nie im Leben habe er eine so kostbare Reliquie betrachtet.
    Dann fragte der Obereunuch, mit welchen Namen er seine ehrwürdigen Gäste ansprechen solle, nachdem die Tradition ihnen schon so viele zugewiesen habe und niemand mehr wisse, welche die richtigen seien. Sehr vorsichtig antwortete Baudolino, zumindest bis sie in Gegenwart des Priesters seien, wünschten sie, mit denjenigen Namen angesprochen zu werden, unter welchen man sie im fernen

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