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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Palast des Kaisers viele von ihnen kennengelernt. Sie versuchen, Macht anzuhäufen, um ihrem Groll auf alle Zeugungsfähigen Luft zu machen. Aber oft in meiner langen Erfahrung habe ich den Eindruck gehabt, dass auch viele, die keine Eunuchen sind, die Macht benutzen, um auszudrücken, was sie sonst nicht ausdrücken könnten. Vielleicht ist das Befehlen noch eine größere Leidenschaft als das Kopulieren.«
    »Da war noch mehr, was mich ratlos machte. Hör zu: Die Eunuchen von Pndapetzim bildeten eine Kaste, die sich durch Auswahl reproduzierte, da ihre Natur ihnen keine andere Möglichkeit ließ. Seit Generationen und Abergenerationen, sagte Praxeas, wählten die Ältesten unter ihnen anmutige Jünglinge aus und reduzierten sie zu ihresgleichen, um sie erst zu ihren Sklaven und dann zu ihren Erben zu machen. Woher aber nahmen sie diese graziösen und wohlgeformten Jünglinge, wenn doch die ganze Provinz von Pndapetzim nur von Launen der Natur bewohnt war?«
    »Sicher stammten die Eunuchen aus einem anderen Land. Es kommt in vielen Armeen und öffentlichen Verwaltungen vor, dass die Regierenden nicht derselben Gemeinschaft angehören dürfen wie die von ihnen Regierten, damit sie für ihre Untertanen keine Sympathie- oder Komplizengefühle entwickeln. Vielleicht hatte der Priester es so gewollt, um jene streitsüchtigen Missgestalten niederhalten zu können.«
    »Sag lieber: um sie ohne Gewissensbisse verheizen zu können. Denn aus Praxeas' Worten habe ich noch zwei andere Dinge begriffen. Pndapetzim war der letzte Vorposten, bevor das Reich des Priesters begann. Danach kam nur noch eine Schlucht in den Bergen, die zu einem anderen Landstrich führte, und auf den Höhen über dieser Schlucht waren nubische Wachen postiert, die nur darauf warteten, Steinlawinen auf jeden stürzen zu lassen, der sich dort hineinwagte. Am Ausgang der Schlucht begann ein riesiger Sumpf, der so tückisch war, dass jeder, der ihn zu durchqueren versuchte, in Schlamm- oder Flugsandlöchern versank, und wenn er nur bis zu den Waden eingesunken war, konnte er sich nicht mehr herausziehen und versank immer tiefer, bis er ganz verschwunden war wie einer, der im Meer ertrinkt. Durch diesen Sumpf gab es nur einen einzigen sicheren Weg, den jedoch nur die Eunuchen kannten, die gelernt hatten, ihn an gewissen Zeichen zu erkennen. Daher war Pndapetzim das Tor, die Verteidigungsstellung, die Sperre, die man durchbrechen musste, wenn man ins Reich wollte.«
    »Da ihr die ersten Besucher seit wer weiß wie vielen Jahrhunderten wart, kann diese Verteidigung nicht allzu mühsam gewesen sein.«
    »Im Gegenteil. Praxeas äußerte sich sehr vage über diesen Punkt, als liege ein Verbot auf dem Namen derer, die sie bedrohten, aber dann entschloss er sich, mir mit halben Worten anzudeuten, dass die ganze Provinz unter dem Albtraum eines kriegerischen Volkes lebte, dem der Weißen Hunnen, die jeden Augenblick eine Invasion versuchen könnten. Wenn diese Feinde im Weichbild von Pndapetzim auftauchten, würden ihnen Skiapoden und Blemmyer und alle anderen Monster entgegengeschickt, damit sie sich von ihnen massakrieren ließen und so die Eroberung ein wenig aufhielten, und derweil würden die Eunuchen den Diakon durch die Schlucht führen, hinter ihm genügend Lawinen hinunterstürzen lassen, um den Durchgang zu verstopfen, und sich ins Reich zurückziehen. Sollten sie das nicht rechtzeitig schaffen und gefangengenommen werden, so dass die Weißen Hunnen einen von ihnen unter der Folter zwingen könnten, den einzigen Weg durch den Sumpf zu verraten, seien sie alle darauf vorbereitet, mit einem Gift aus dem Leben zu scheiden, das jeder von ihnen in einem Beutel an der Brust trug. Das Schreckliche an der Sache war aber, dass Praxeas nicht daran zweifelte, sich in jedem Fall retten zu können, denn im letzten Moment würden sie als Schutzschild die Nubier haben. Es sei das Beste, was einem passieren könne, sagte er, als Leibwächter Circumcellionen zu haben.«
    »Ich habe von ihnen gehört, aber die Sache hat sich vor Jahrhunderten an den Küsten Afrikas zugetragen. Dort gab es Häretiker, die man Donatisten nannte, sie vertraten die Ansicht, die Kirche müsse die Gemeinschaft der Heiligen sein, aber leider seien ihre Diener inzwischen alle verdorben, und darum könne kein Priester mehr die Sakramente vollziehen. Sie lagen in einem Dauerkrieg mit allen anderen Christen. Die entschiedensten unter ihnen waren eben die Circumcellionen, barbarische Angehörige der

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