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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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bis nach Pndapetzim gelangt, vielleicht hat er sich unterwegs verirrt, sein Skelett verstaubt irgendwo an einem staubigen Ort, seinen Gradal haben sich ungläubige Nomaden genommen, die ihn vielleicht als Nachttopf benutzen. Sei still, sei still, sagte Boron erbleichend.«
    »Wie habt ihr's geschafft, aus dieser Hölle zu entkommen?« fragte Niketas.
    »Eines Tages sagte uns Gavagai, er habe den Fluchtweg gefunden. Der arme Gavagai, auch er war inzwischen gealtert. Ich weiß nicht, wie alt Skiapoden werden, aber er war nicht mehr sich selbst voraus, wie der Blitz. Er kam eher wie der Donner, ein bisschen hinterher, und nach dem Lauf keuchte er.«
     
    Der Plan war folgender: Man musste den Eunuchen, der das Amt des Vogel-Roch-Wärters versah, mit Waffengewalt überraschen, ihn zwingen, die Vögel wie gewohnt aufzuzäumen, aber so, dass die Ledergurte, die ihr Transportgut sicherten, um die Hüften der Flüchtlinge gebunden wurden. Dann musste er den Vögeln befehlen, nach Konstantinopel zu fliegen. Gavagai hatte mit dem Wärter gesprochen und erfahren, dass die Vögel oft dorthin geschickt wurden, immer zu einem Agenten Aloadins, der auf einem Hügel bei Pera wohnte. Sowohl Baudolino als auch Gavagai verstanden die Sarazenensprache und konnten überprüfen, ob der Wärter den richtigen Befehl gab. Einmal ans Ziel gelangt, würden die Vögel von selbst zur Landung ansetzen. »Wieso ich bloß nicht gleich daran gedacht?« sagte Gavagai und klopfte sich drollig mit den Fäusten an die Stirn.
    »Na schön«, sagte Baudolino, »aber wie können wir mit einer Kette am Fuß fliegen?«
    »Ich besorg Feile«, sagte Gavagai.
    In der Nacht holte Gavagai die Waffen und das Gepäck der Gefangenen und brachte sie in den Schlafsaal. Die Schwerter und Dolche waren ein bisschen verrostet, aber sie verbrachten die folgenden Nächte damit, sie zu reinigen und zu schärfen, indem sie sie an den Steinen der Wände rieben. Dann bekamen sie die Feile. Sie taugte nicht viel, und sie brauchten Wochen, um die Ringe, mit denen die Ketten an ihren Knöcheln befestigt waren, bis auf einen dünnen Rest durchzufeilen. Aber schließlich gelang es ihnen, sie banden die brüchigen Ringe mit einem Bindfaden an die Kette, und so sah es aus, als bewegten sie sich wie üblich behindert durch die Burg. Wer genau hinsah, hätte den Betrug freilich entdecken können, aber sie waren schon so lange dort, dass niemand genau hinsah, und die Kynokephalen betrachteten sie inzwischen als eine Art Haustiere.
    Eines Abends erfuhren sie, dass sie am nächsten Tag einige Säcke mit schlecht gewordenem Fleisch aus der Küche abholen und zu den Vögeln bringen sollten. Gavagai brachte ihnen die Nachricht und erklärte, dies sei die Gelegenheit, auf die sie gewartet hätten.
    Am Morgen gingen sie die Säcke holen, wobei sie so taten, als ob ihnen der Auftrag sehr unangenehm sei, machten dann einen Abstecher in ihren Schlafraum, holten die Waffen und versteckten sie zwischen den Fleischstücken. Als sie zum Käfig kamen, war Gavagai schon da und amüsierte den Wärter-Eunuchen mit Luftsprüngen. Der Rest war leicht, sie schnürten die Säcke auf, holten die Dolche heraus, setzten dem Wärter sechs davon an die Kehle (Solomon stand daneben und sah zu, als ob ihn das Ganze nichts anginge), und Baudolino erklärte ihm, was er tun solle. Zuerst behauptete er, es seien nicht genügend Ledergurte vorhanden, aber als der Poet eine Anspielung auf das Ohrenabschneiden machte, erklärte sich der Eunuch, der von Abschneiden genug hatte, kooperationsbereit. Sieben Vögel wurden dazu hergerichtet, das Gewicht von sieben Menschen zu tragen, beziehungsweise von sechs Menschen und einem Skiapoden. »Ich brauche den stärksten«, sagte der Poet, »denn du« – er wandte sich an den Eunuchen – »kannst leider nicht hierbleiben, weil du sonst Alarm schlagen oder die Vögel zurückrufen würdest. An meiner Hüfte wird ein weiteres Seil befestigt sein, und daran wirst du hängen. Darum muss mein Vogel das Gewicht von zwei Personen tragen.«
    Baudolino übersetzte, der Eunuch erklärte sich glücklich, seine Entführer bis ans Ende der Welt begleiten zu dürfen, fragte aber, was danach mit ihm geschehen würde. Sie versicherten ihm, dass er, einmal in Konstantinopel angekommen, seiner Wege gehen könne. »Aber jetzt machen wir schnell«, drängte der Poet, »der Gestank in diesem Käfig ist unerträglich.«
    Es dauerte jedoch fast eine Stunde, bis alles so hergerichtet war, wie es sein

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