Die historischen Romane
wir gern ein wenig genauer wissen, was in ihr vorgeht. Also los, Bruder William, hebt den Deckel von diesem Schlangennest, Ihr, die Ihr schon so viele Ketzer verbrannt habt!«
»Ich habe noch nie einen Menschen verbrannt«, erwiderte William kühl.
»Ich habe das auch nur so hingesagt«, entschuldigte sich Aymarus mit breitem Grinsen. »Gute Jagd, Bruder William! Aber seid bei Nacht auf der Hut!«
»Wieso nicht auch bei Tage?«
»Bei Tage werden hier die Körper mit guten Kräutern gepflegt, und bei Nacht werden dann die Geister mit bösen Kräutern vergiftet. Glaubt nicht, dass Adelmus von der Hand eines Menschen in die Tiefe gestürzt worden ist, glaubt nicht, dass die Hand eines Menschen Venantius ins Blut getaucht hat!
Es gibt hier jemanden, der nicht will, dass die Mönche selber entscheiden können, wohin sie gehen, was sie tun und welche Bücher sie lesen. Und um die Sinne der Neugierigen zu verwirren, benutzt dieser Jemand die Kräfte der Hölle, beziehungsweise die Kräfte der mit der Hölle verbündeten Schwarzen Magie...«
»Sprecht Ihr vom Bruder Botanikus?«
»Severin von Sankt Emmeram ist ein braver Mann. Aber natürlich, auch er ist ein Deutscher, genau wie Malachias...« Und nach dieser erneuten Demonstration seiner Unfähigkeit, Intrigen zu spinnen, verließ uns der brave Aymarus von Alessandria, um sich an seine Arbeit zu machen.
»Was hat er uns sagen wollen?« fragte ich William.
»Alles und nichts. In jeder Abtei gibt es Mönche, die einander befehden, um sich das Regiment über die Gemeinschaft zu sichern. Auch in Melk wird es kaum anders sein, du hast es nur als Novize noch nicht bemerkt. Aber wer in deiner Heimat die Herrschaft über eine Abtei gewinnt, beherrscht damit einen Ort, von dem aus unmittelbar mit dem Kaiser verhandelt wird. Hier in Italien ist das anders, der Kaiser ist weit, auch wenn er zuweilen nach Rom fährt. Hier gibt es keinen zentralen Hof, inzwischen nicht einmal mehr den des Papstes. Aber dafür gibt es hier Städte, du hast sie gesehen.«
»Ja, und ich habe gestaunt. Die Städte hier in Italien sind etwas ganz anderes als in meiner Heimat. Sie sind nicht nur Orte zum Wohnen, sondern auch Orte, an denen Entscheidungen gefällt werden. Alle Bürger sind ständig im Freien, auf den Straßen und Plätzen, der Magistrat hat mehr zu sagen als der Kaiser oder der Papst. Sie sind fast ein wenig... wie kleine Reiche...«
»Ja, und ihre Könige sind die Kaufleute. Und ihre Waffe ist das Geld. Das Geld hat in Italien eine ganz andere Funktion als in deiner Heimat oder in meiner. Geld zirkuliert in allen Ländern, aber bei uns wird ein Großteil des Lebens noch durch den Austausch von Gütern geregelt, Hühner für Korn oder eine Sichel für einen Karren, und das Geld dient dazu, sich diese Güter zu beschaffen. In den italienischen Städten dienen die Güter dazu, sich Geld zu beschaffen. Auch die Priester, die Bischöfe und sogar die heiligen Orden müssen ihre Rechnung mit diesem Geld machen. Und deswegen drückt sich natürlich die Rebellion gegen die Mächtigen als Appell zur Armut aus, und gegen die Mächtigen rebellieren jene, die nicht teilhaben dürfen an dieser Beziehung zum Geld, und jeder Appell zur Armut ruft große Spannungen und lebhafte Diskussionen hervor, und die ganze Stadt, vom Bischof bis zum Magistrat, empfindet jeden, der zu viel Armut predigt, als ihren persönlichen Feind. Die Inquisitoren riechen den Schwefelgestank des Teufels, sobald jemand auf den Gestank hinweist, der vom Kot des Teufels aufsteigt. Und nun verstehst du auch, was dem guten Aymarus vorschwebt. In den goldenen Zeiten des Ordens war eine Benediktinerabtei ein Ort, von dem aus Hirten die Herde der Gläubigen kontrollierten. Aymarus will, dass diese Abtei zur Tradition zurückkehrt. Nur hat sich das Leben der Herde inzwischen geändert, und daher kann die Abtei nur zur Tradition zurück (und zu ihrem Ruhm und zu ihrer Macht von einst), wenn sie die neuen Lebensweisen der Herde akzeptiert und sich selber verändert. Und da man die Herde hier und heute nicht mehr mit Waffen beherrscht oder durch prächtige Zeremonien, sondern durch die Kontrolle über das Geld, will Aymarus, dass die ganze Abtei mitsamt der Bibliothek zu einer großen Werkstatt werde, zu einer Manufaktur, einer geldheckenden Fabrik.«
»Und was hat das alles mit dem oder den Verbrechen zu tun?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber lass uns jetzt hinaufgehen ins Skriptorium.«
Die Mönche saßen bereits wieder an
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