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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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warfen sich demütig vor den Altären nieder, geführt von Priestern mit Fackeln und Weihrauchgefäßen, und nicht nur Männer und Frauen aus dem einfachen Volk waren es, auch noble Damen und reiche Kaufleute... Und dann taten sie allesamt feierlich Buße, wer etwas geraubt hatte, gab es reuig zurück, andere beichteten laut ihre schlimmen Verbrechen...
    William aber hatte das Schauspiel kühl betrachtet und mir gesagt, das sei keine wahre Buße. Schon damals hatte er ähnlich gesprochen wie heute Morgen: Die Zeit der großen büßerischen Erneuerung sei vorbei, und dies hier seien die Formen, in welche die Priester das Verlangen des Volkes nach frommer Hingabe kanalisierten, damit es nicht einem anderen Verlangen anheimfalle, einem Verlangen nach Buße, das als ketzerisch gelte und allen Angst mache. Mir gelang es allerdings nicht, den Unterschied zu erkennen, wenn es denn einen gab. Mir schien, dass der Unterschied weniger aus den verschiedenen Akten der Büßer kam als aus den verschiedenen Blickwinkeln, unter welchen die Kirche diese Akte betrachtete und beurteilte.
    Als ich weiter darüber nachdachte, kam mir Williams Disput mit Ubertin in den Sinn. Zweifellos hatte William dem Alten sehr zugesetzt, als er ihm weismachen wollte, dass zwischen seinem mystischen (und orthodoxen) Glauben und dem Irrglauben der Ketzer kein großer Unterschied sei. Ubertin hatte sich sehr darüber erregt wie einer, der den Unterschied klar erkennt. Ich hatte daraus den Eindruck gewonnen, dass Ubertin eben deswegen anders war, weil er den Unterschied klar zu sehen vermochte. William dagegen hatte das Amt des Inquisitors niedergelegt, weil er den Unterschied nicht mehr hinreichend klar zu sehen vermochte. Und deswegen hatte er auch heute Morgen nicht offen mit mir über jenen geheimnisvollen Fra Dolcino sprechen können. Aber wenn das so war, dann hatte William – so sagte ich mir – offensichtlich den Beistand des Herrn verloren, der nicht nur den Unterschied zu erkennen lehrt, sondern der seine Erwählten mit dieser Differenzierungsfähigkeit gleichsam durchtränkt. Ubertin und Clara von Montefalco waren Heilige geblieben (obwohl letztere von Sündern umgeben war), eben weil sie zu differenzieren vermochten. Das nämlich und nichts anderes ist die wahre Heiligkeit.
    Aber warum vermochte William in dieser Sache nicht mehr zu differenzieren? Er war doch sonst ein so scharfsichtiger Mann, und was die Erscheinungen der Natur betraf, so konnte er noch die kleinsten Unterschiede und die geringsten Verwandtschaften zwischen den Dingen erkennen...
    In diese Gedanken war ich versunken, während mein Meister still seine Milch trank, als uns plötzlich jemand von hinten seinen Gruß entbot. Es war Aymarus von Alessandria, den wir bereits im Skriptorium kennengelernt hatten und dessen Gesichtsausdruck mir schon beim ersten Mal als bemerkenswert aufgefallen war: ein unaufhörliches spöttisches Lächeln, als schüttelte er fortwährend verwundert den Kopf über die unausweichliche Dummheit und Hinfälligkeit aller menschlichen Wesen, ohne jedoch dieser Tragödie kosmischen Ausmaßes allzu große Bedeutung beizumessen.
    »Nun, Bruder William«, hob er an, »habt Ihr Euch schon an dieses Irrenhaus hier gewöhnt?«
    »Mir scheint die Abtei eher eine Stätte hochwürdiger und gelehrter Mönche zu sein«, sagte William behutsam.
    »Das war sie einmal. Als die Äbte noch Äbte waren und die Bibliothekare noch Bibliothekare. Aber jetzt habt Ihr ja selbst gesehen: Dort droben« – er deutete zum Skriptorium hinauf –»horcht dieser halbtote Deutsche mit den Augen eines Blinden voller Andacht und Hingabe auf das irre Gefasel dieses blinden Spaniers mit den Augen eines Toten, man möchte meinen, dass der Antichrist jeden Moment hereinspaziert kommt, an alten Pergamenten wird fleißig herumgeschabt, aber neue Bücher kommen nur selten in die Bibliothek... Wir reden hier oben auf unserem Berg, und drunten in den modernen Städten wird unterdessen gehandelt... Früher wurde von unseren Abteien aus die Welt regiert. Heute seht Ihr ja selbst, was daraus geworden ist: Der Kaiser benutzt uns zwar noch, um seine Freunde zu uns heraufzuschicken, damit sie sich hier mit seinen Feinden treffen (ja, ja, ich weiß ein wenig über Eure Mission, die Mönche reden und reden, sie haben ja auch nichts anderes zu tun), aber wenn er die Dinge in diesem Land kontrollieren will, begibt er sich in die Städte. Wir ernten hier Korn und züchten Federvieh, aber drunten

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