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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Nischen, ohne dass man versucht hätte, sie gemäß ihrer natürlichen Ordnung im Körper zu legen. Einige Nischen enthielten nur winzige Knochen, andere nur Schädel, säuberlich zu Pyramiden gestapelt. Wahrlich ein schreckenerregender Anblick, zumal im flackernden Wechselspiel von Schatten und Licht, das meine Lampe hervorrief, während wir uns Schritt für Schritt durch den Gang vorantasteten. In einer Nische sah ich nur Hände, unzählige Knochenhände, die Finger unentwirrbar verschränkt zu einem reglosen Totenreigen. Ein Schrei entfuhr mir, als ich plötzlich zwischen all diesen Gebeinen etwas Lebendiges wahrzunehmen vermeinte, ein Pfeifen und rasches Huschen im Dunkel.
    »Mäuse«, sagte William beruhigend.
    »Was tun denn hier Mäuse?«
    »Sie laufen durch, genau wie wir. Der Gang führt ins Aedificium, mithin in die Küche. Und zu den schönen Büchern in der Bibliothek. Doch nun verstehst du vielleicht auch, warum Malachias immer so finster dreinblickt. Sein Amt zwingt ihn, zweimal täglich hier durchzugehen, abends und morgens. Er hat wirklich nichts zu lachen...«
    »Warum steht eigentlich nirgendwo im Evangelium, dass Christus gelacht hat«, fragte ich ohne vernünftigen Grund. »Ist es wirklich so, wie Jorge sagt?«
    »Viele Leute haben sich schon gefragt, ob Christus gelacht hat. Ich finde die Frage gar nicht so interessant. Ich glaube, dass Christus nie gelacht hat, weil er in seiner Allwissenheit sicher schon wusste, was wir Christen alles anstellen würden... Aber schau, wir sind da.«
    In der Tat, der Gang war zu Ende, Gott sei Dank. Wir erklommen erneut eine Reihe von Stufen, drückten oben eine schmale, mit Eisenbändern beschlagene Holztüre auf und fanden uns hinter dem großen Kamin in der Küche, genau unter der Wendeltreppe, die zum Skriptorium führte. Als wir sie hinaufstiegen, schien uns plötzlich, als hörten wir über uns ein Geräusch.
    Wir verharrten einen Moment lang reglos, dann sagte ich: »Unmöglich! Niemand ist vor uns hier eingedrungen...«
    »Vorausgesetzt, dies hier ist der einzige heimliche Zugang«, flüsterte William. »In früheren Jahrhunderten war das Aedificium eine Felsenburg, es gibt hier wahrscheinlich mehr Geheimgänge, als wir wissen. Gehen wir vorsichtig weiter, es bleibt uns gar keine andere Wahl. Wenn wir das Licht löschen, sehen wir nichts, und wenn wir es brennen lassen, sieht uns der Unbekannte, falls sich dort oben einer befindet. Unsere einzige Hoffnung ist, dass er mehr Angst vor uns hat als wir vor ihm.«
    Wir traten aus dem Südturm und waren im Skriptorium. Der Tisch des Venantius befand sich genau am anderen Ende des Saales. Unsere Lampe vermochte in dem weiten Raum nur wenige Ellen weit zu leuchten, und während wir uns zwischen den Pfeilern und Tischen hindurchtasteten, hofften wir, dass niemand draußen im Hof war, der den Lichtschein in den
    Fenstern erblickte. Venantius’ Tisch schien unberührt. Doch als William niederkniete, um das flache Regal zu durchforschen, entfuhr ihm ein enttäuschter Ausruf.
    »Fehlt etwas?« fragte ich.
    »Heute Morgen habe ich hier zwei Bücher gesehen, eins davon war griechisch. Das ist jetzt nicht mehr da. Jemand hat es weggenommen, anscheinend in großer Hast, denn schau mal, hier ist ein Blatt auf den Boden gefallen.«
    »Aber der Tisch war doch bewacht...«
    »Gewiss. Vielleicht hat ihn jemand erst vor Kurzem durchsucht. Vielleicht ist dieser Jemand noch hier.« William stand auf, drehte sich um und rief laut in den dunklen Saal: »Wenn du hier bist, sei auf der Hut!« Das war eine gute Idee, fand ich, denn William hatte ganz recht: Es ist immer besser, wenn der Unbekannte, der uns Angst macht, mehr Angst vor uns hat als wir vor ihm.
    William legte das Blatt, das er auf dem Boden gefunden hatte, vorsichtig auf den Tisch und beugte sich darüber. Er bat mich, mit der Lampe näherzukommen, und als ich das tat, sah ich einen Pergamentbogen, der oben leer war und ungefähr ab der Mitte bedeckt mit winzigen Lettern, die mich an ein mir vage bekanntes Alphabet erinnerten.
    »Griechisch?« fragte ich.
    »Ja, aber ich kann es nicht gut erkennen.« William zog seine Augengläser hervor und setzte sie rittlings auf seine Nase. Dann beugte er sich noch tiefer über die Schrift.
    »Es ist Griechisch, aber sehr klein und sehr schwer zu lesen. Auch mit den Linsen kann ich es kaum entziffern. Ich bräuchte mehr Licht. Komm noch etwas näher...«
    Er hatte das Pergament in die Hand genommen und hielt es sich dicht vor die

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