Die historischen Romane
nächsten Morgen empfing uns Belbo strahlend. »Es funktioniert«, rief er. »Es funktioniert und erbringt unverhoffte Resultate. Hier, bitte sehr.« Er reichte uns den gedruckten Output.
Die Templer sind immer im Spiel.
Das Folgende ist nicht wahr:
Jesus ist unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden.
Der weise Hormus gründete in Ägypten die Rosenkreuzer.
Es gibt Kabbalisten in der Provence.
Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana?
Minnie ist die Verlobte von Mickymaus.
Daraus folgt, dass
Wenn
Die Druiden verehrten schwarze Jungfrauen,
Dann
Simon Magus erkennt die Sophia in einer Prostituierten
von Tyrus.
Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana?
Die Merowinger nannten sich Könige von Gottes
Gnaden.
Die Templer sind immer im Spiel.
»Ein bisschen konfus«, meinte Diotallevi.
»Du musst die Verbindungen sehen. Und bitte beachte die zweimal auftauchende Frage: Wer vermählte sich auf der Hochzeit zu Kana? Die Wiederholungen sind magische Schlüssel. Natürlich hab ich's ein bisschen vervollständigt, aber die Wahrheit zu vervollständigen ist das Recht des Initiierten. Hier also meine Interpretation: Jesus ist nicht gekreuzigt worden, und deshalb spuckten die Templer auf das Kruzifix. Die Sage des Joseph von Arimathia enthält eine tiefere Wahrheit: Jesus, und nicht der Gral, ist in Frankreich beiden provenzalischen Kabbalisten gelandet. Jesus ist die Metapher des Königs der Welt, des wirklichen Gründers der Rosenkreuzer. Und mit wem ist Jesus in Frankreich gelandet? Mit seiner Gattin! Warum wird in den Evangelien nicht gesagt, wer sich auf der Hochzeit zu Kana vermählte? Nun, weil es die Hochzeit Jesu war, eine Hochzeit, von der man nicht sprechen durfte, weil er eine öffentliche Sünderin ehelichte, nämlich Maria Magdalena. Deshalb suchen seither alle Erleuchteten, von Simon Magus bis zu Guillaume Postel, das Prinzip des Ewig Weiblichen in den Bordellen. Und deshalb ist Jesus der wahre Stammvater des französischen Königshauses.«
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Wenn unsere Hypothese zutrifft, war der Heilige
Gral ... das Geschlecht und die Nachkommenschaft
Jesu, das »Sang real« oder »Königsblut«,
dessen Hüter die Templer waren ... Zugleich
mußte der Heilige Gral im Wortsinne das Gefäß
sein, welches das Blut Jesu aufgenommen und
enthalten hatte. In anderen Worten, er mußte der
Schoß der Magdalena sein.
M. Baigent, R. Leigh, H. Lincoln, The Holy Blood and
the Holy Grail , London, Cape, 1982, XIV
»Hm«, machte Diotallevi, »niemand würde dich ernst nehmen.«
»Im Gegenteil, man könnte ein paar hunderttausend Exemplare davon verkaufen«, sagte ich düster. »Die Geschichte existiert wirklich, sie ist so geschrieben worden, mit winzigen Abweichungen. Es handelt sich um ein Buch über das Mysterium des Grals und die Geheimnisse von Rennes-le-Château. Statt immer nur Manuskripte zu lesen, sollten Sie auch mal Bücher lesen, die anderswo schon erschienen sind.«
»Heilige Seraphim!« rief Diotallevi. »Ich hab's doch gesagt, diese Maschine sagt immer nur, was alle schon wissen.« Sprach's und ging unversöhnt hinaus.
»Und sie nützt doch!« sagte Belbo pikiert. »Mir ist eine Idee gekommen, die auch andere schon hatten? Na und? Wir sind eben bei der literarischen Polygenese. Signor Garamond würde sagen, das ist der Beweis für die Wahrheit dessen, was ich gesagt habe. Diese Autoren müssen jahrelang über dem Problem gebrütet haben, und ich hab's an einem Abend gelöst.«
»Ich stehe auf Ihrer Seite, das Spiel ist der Mühe wert, es hat etwas Zündendes. Aber ich glaube, die Regel ist, dass man viele Daten einfügen muss, die nicht von den Diabolikern stammen. Das Problem ist nicht, okkulte Verbindungen zwischen Debussy und den Templern zu finden. Das tun alle. Das Problem ist, okkulte Beziehungen zwischen, sagen wir, der Kabbala und den Zündkerzen im Auto zu finden.«
Ich hatte das nur so hingesagt, aber es brachte Belbo auf eine Spur. Am nächsten Morgen erzählte er mir davon.
»Sie hatten ganz recht. Jede Gegebenheit wird bedeutsam, wenn man sie mit einer andern verbindet. Die Verbindung ändert die Perspektive. Sie bringt einen auf den Gedanken, dass alle Erscheinungen in der Welt, jede Stimme, jedes geschriebene oder gesprochene Wort nicht das bedeuten, was sie zu bedeuten scheinen, sondern von einem Geheimnis sprechen. Das Kriterium ist simpel: Man muss argwöhnen, immer nur argwöhnen. Geheime Botschaften kann man auch aus einem Einbahnstraßenschild
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