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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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herauslesen.«
    »Sicher. Manichäischer Moralismus. Abscheu vor der Reproduktion. Durchfahrt verboten, weil sie eine Täuschung des Demiurgen ist. Nicht auf diesem Wege wird man den Rechten Weg finden.«
    »Gestern Abend ist mir ein altes Lehrbuch für die Führerscheinprüfung in die Hände gefallen, so eins mit technischen Erläuterungen über den Aufbau des Automobils. Es mag am Dämmerlicht gelegen haben oder an dem, was Sie mir gesagt hatten, jedenfalls kam mir sofort der Verdacht, dass diese Seiten insgeheim etwas anderes besagten. Wie, wenn das Automobil nur als eine Metapher der Schöpfung existierte? Freilich darf man sich nicht auf das Äußere beschränken oder auf das Trugbild des Armaturenbretts, man muss auch sehen können, was nur der Artifex sieht, nämlich das, was sich darunter verbirgt. Das Untere ist wie das Obere. Das Automobil ist der Sefiroth-Baum.«
    »Was Sie nicht sagen!«
    »Nicht ich sage das, es selber sagt es. Erstens ist die Motorwelle, die ja nicht zufällig in so vielen Sprachen arbor heißt ( arbre moteur, albero motore etc.), wie das Wort sagt, eben ein Baum. Gut, jetzt nehmen Sie den Motor als Kopf, die zwei Vorderräder, die Kupplung, das Getriebe, zwei Gelenke, das Differential und die zwei Hinterräder. Zehn Gliederungen, wie die Sefiroth.«
    »Aber die Positionen stimmen nicht überein.«
    »Wer sagt das? Diotallevi hat uns erklärt, dass Tifereth in manchen Versionen nicht die sechste, sondern die achte Sefirah war, unter Nezach und Hod. Mein Baum ist eben der von Belboth, eine andere Tradition.«
    »Fiat.«
    »Nun folgen wir der Dialektik des Baumes. Oben ist der Motor, omnia movens, der Allbeweger, oder sagen wir: der Kreative Born. Der Motor überträgt seine kreative Energie auf die zwei Höheren Räder – das Rad des Verstandes und das Rad der Weisheit.«
    »Ja, wenn das Auto Frontantrieb hat ... «
    »Das Schöne am Baum von Belboth ist, dass er metaphysische Alternativen erlaubt. Er ist das Bild eines spirituellen Kosmos mit Frontantrieb, in dem der vorne liegende Motor seinen Willen unverzüglich auf die zwei Höheren Räder überträgt, und er ist in der materialistischen Version das Bild eines degradierten Kosmos, in dem die Bewegung von einem Fernen Beweger auf die zwei Niederen Räder übertragen wird – aus den Tiefen der kosmischen Emanation werden die niederen Kräfte der Materie freigesetzt.«
    »Und bei einem Heckmotor mit Hinterradantrieb?«
    »Satanisch. Koinzidenz des Höchsten mit dem Niedrigsten. Gott identifiziert sich mit den Impulsen der rohen hinteren Materie. Gott als ewig frustriertes Streben nach Göttlichkeit. Muss wohl am Bruch der Gefäße liegen.«
    »Nicht am Bruch des Auspufftopfs?«
    »Das in den Fehlgeschlagenen Universen, wo sich der giftige Atem der Archonten im Kosmischen Äther ausbreitet. Aber verlieren wir uns nicht auf Abwege. Nach dem Motor und den beiden Rädern kommt die Kupplung, das heißt die Sefirah der Gnade, die jenen Strom der Liebe herstellt oder unterbricht, der den Rest des Baumes mit der Himmlischen Energie verbindet. Eine Scheibe, ein Mandala, das ein anderes Mandala streichelt. Dann der Schrein des Wandels – oder das Wechselgetriebe, wie die Positivisten sagen –, der das Prinzip des Bösen ist, da er dem menschlichen Willen erlaubt, den kontinuierlichen Fortgang der Emanation zu verlangsamen oder zu beschleunigen. Deshalb sind automatische Schaltungen teurer, da es bei ihnen der Baum selber ist, der nach dem Prinzip des Souveränen Gleichmaßes entscheidet. Dann kommt ein Gelenk, das bezeichnenderweise den Namen eines Magiers aus der Renaissance trägt, Cardano, und danach ein Kegelradpaar – beachten Sie bitte den Gegensatz zur Vierfalt der Zylinder im Motor –, in dem es einen Kranz gibt (also eine Corona: Kether Minor), der den Antrieb auf die irdischen Räder überträgt. Und hier zeigt sich ganz evident die Funktion der Sefirah der Differenz, auch Differential genannt, die mit majestätischem Sinn für die Schönheit die kosmischen Kräfte auf die beiden Räder des Ruhmes und Sieges verteilt, dieselben, die in einem nicht fehlgeschlagenen Kosmos (mit Frontantrieb) der Bewegung folgen, die von den zwei Erhabenen Rädern diktiert wird.«
    »Die Deutung ist schlüssig. Und das Herz des Motors, der Ort des Einen, die Krone?«
    »Lesen Sie's nur einmal mit den Augen des Initiierten. Der Höchste Beweger lebt von einer Wechselbewegung der In- und Exhalation. Ein komplexer göttlicher Atem, bei dem die Zahl der

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