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Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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zugegen. Die Huren in ihren ausgeschnittenen Gewändern und orangefarbenen und roten Perücken betrachteten die Soldaten und versuchten einen Blick der vorbeireitenden Ritter und Sergeanten aufzufangen. Die verarmten Bewohner der engen Nebengassen, die keinem Herrn dienten, waren auch erschienen. Sie suchten im Schatten Schutz vor der Sonne, jederzeit darauf gefaßt, beim Auftauchen eines Amtmanns das Weite zu suchen. Die Krüppel, Bänkelsänger, Betrüger, Ganoven und Taschendiebe hatten sich versammelt und sahen sich nach mildtätigen Seelen und Opfern um. Die Marktstände waren beiseite geräumt, und die Kaufleute und ihre Lehrjungen, die in den Farben ihrer Gilde gekleidet waren, standen mit offenen Mündern da, bemüht einen Blick auf ihren mächtigen König zu erhaschen.
    Edward sah wirklich aus wie der alles überwindende Regent: ein goldenes Diadem in seinem stahlgrauen Haar, ein Kettenpanzer — darauf hatte Corbett bestanden — , darüber ein Umhang aus golddurchwirkter Seide. Edward saß auf seinem gewaltigen Streitroß Black Bayard. Sattel und Zaumzeug waren aus purpurgefärbtem Leder mit Silberbeschlägen. Der König ritt mühelos und hielt die Zügel nur mit einer Hand. Auf der anderen befand sich ein prächtiger schneeweißer Falke aus Paris. Neben ihm ritt John de Warrenne, der Earl of Surrey, ebenfalls teilweise in Rüstung und mit dem Banner des Königs, einem goldenen Löwen im Sprung auf blutrotem Tuch. Corbett kam direkt hinter dem König. Er war unruhig und suchte mit den Augen unablässig Menschenmassen und offene Fenster ab. Hin und wieder faßte er nach seinem Dolch und warf dann einen Blick zu Ranulf neben ihm. Sein Diener war jedoch vollauf damit beschäftigt, den Frauen und Töchtern der Bürger zuzulächeln und ihnen Küsse zuzuwerfen. Gelegentlich blieb die Prozession stehen, und die prachtvoll gekleideten Herolde spielten eine Fanfare, bevor sie unter den flatternden Bannern mit den Wappen Englands, Schottlands, Wales’, Frankreichs und Kastiliens weiter in Richtung Stadtmitte ritten.
    An der Ecke der Trinity Lane hielt der König inne, um ein Tableau anzusehen, eine Szene aus dem Jüngsten Gericht. Ein riesiger Wandteppich der Corpus Christi Gilde hing an einem Rahmen, der auf drei große Karren montiert war. In grellen Farben wurde das Schicksal der Sünder dargestellt. Gesetzgeber, die schlechte Gesetze verabschiedet hatten, waren in brennende Mäntel aus Schwefel gehüllt, bestechliche Richter wurden gepfählt und gerädert. Edward mußte beim Anblick einer anderen Szene lachen. Einige Mönche mit rasierten Schädeln wurden von einem Dämon mit dem Antlitz eines Affen zu einer Grube geführt, aus der es vor Hitze qualmte und die noch dazu mit Giftschlangen gefüllt war. Vor dieser behelfsmäßigen Bühne standen Gruppen junger Frauen in Weiß, die Schnüre aus grünen Perlen im Haar trugen und eine süße Weise sangen, in der ihr Herrscher willkommen geheißen wurde. Edward hörte andächtig zu und streichelte den Falken auf seinem Handgelenk. Dann warf er einige Silbermünzen vor die Karren, küßte eines der jungen Mädchen und befahl, die Prozession fortzusetzen. Corbett schaute zu Ranulf, der dem Beispiel des Königs zu folgen versuchte und nach dem Arm eines der jungen Mädchen faßte.
    Sie waren gerade in die Trinity Lane eingebogen, da hörte Corbett das Pfeifen eines Armbrustbolzens zwischen sich und dem König. Einer der Wachsoldaten, der nebenherging, ließ seinen Speer fallen und brach schreiend und gurgelnd zusammen. Ein Blutschwall kam aus seinem Mund. Corbett stellte sich in die Steigbügel und rief den Wachen zu, um den König einen Ring zu bilden. Ihre erhobenen Schilde ließen eine Wand aus Eisen entstehen. Corbett warf einen eiligen Blick auf die Häuser zu beiden Seiten.
    »Dort!« schrie Ranulf.
    Corbett sah in die angegebene Richtung und auf ein Fenster im Obergeschoß einer Schenke, ein Eckhaus, hinter dem es in eine schmale Gasse ging. Der Fensterladen und ein Fensterflügel wurden gerade geöffnet, und Corbetts Blick fiel auf eine Gestalt in Kapuze und auf die Spitze einer Armbrust. Wieder war ein leises Sirren zu vernehmen: wie ein Falke, der sich auf seine Beute stürzt. Diesmal traf der Bolzen eines der aufgerichteten Schilde.
    »Kommt!« drängte Corbett.
    Er stieg ab, zog sein Schwert und bahnte sich mit Ranulf und Maltote einen Weg durch die Menge. Das Chaos, das um sie herum ausgebrochen war, beachteten sie nicht weiter. Schließlich waren sie im

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