Die Hitze der Hölle
Staub aus der Kehle zu spülen und den Schweiß aus dem Gesicht zu waschen. Legrave stieg ebenfalls ab und entledigte sich seines Helms. Er trat zu seinem unterlegenen Gegner. Symmes war noch etwas mitgenommen, wandte sich aber seinem Widersacher zu. Sie umarmten sich und gaben sich den Friedenskuß auf die Wange.
»Wenn man doch nur alle Zwistigkeiten so friedlich beilegen könnte«, murmelte de Molay. Er reichte Corbett einen Becher gekühlten Weißwein und machte einem Gefolgsmann ein Zeichen, Ranulf und Maltote ebenfalls einen zu bringen. »Ich würde Euch gerne danken, Sir Hugh.« De Molay beugte sich so nahe zu Corbett, daß nur er diese Worte hören konnte. »Es war ritterlich von Euch, es uns zu gestatten, unseren Toten zu begraben und sein Andenken mit einem Waffengang zu ehren.« Er seufzte. »Jetzt ist das erledigt. Wollt Ihr unverzüglich mit uns sprechen?«
»Ja, Großmeister.«
De Molay zuckte mit den Schultern. »Ich habe meinen Gefährten entsprechende Anweisungen gegeben. Ihr könnt uns im Refektorium befragen.«
Corbett leerte seinen Becher und reichte ihn einem Gefolgsmann. Dann gab er Ranulf und Maltote zu verstehen, ihm zu folgen. Sie gingen über den Turnierplatz, der von ihren Räumen aus gesehen auf der anderen Seite des Herrenhauses lag, und zurück zum Gästehaus.
»Gott sei Dank«, stöhnte Ranulf und setzte sich auf einen Hocker, »bin ich kein Templer. Sie greifen ja gnadenlos an.«
»Sie sind wirklich ausgezeichnete Reiter«, meinte Maltote. »Hast du gesehen, wie sie ihre Streitrösser nur mit den Knien lenken?«
»Wir verplempern unsere Zeit«, sagte Ranulf mürrisch. »Ich dachte schon, diese Totenmesse würde nie ein Ende nehmen!« Corbett, der am Fenster stand, wo es etwas kühler war, dachte anders darüber, schwieg jedoch. Die Totenmesse war wunderschön gewesen. Reverchiens Sarg hatte mit den Flaggen und Bannern des Ordens bedeckt vor dem Hochaltar der prachtvoll ausgestatteten Templerkapelle gestanden. Die kleine Kirche war sehr gut besucht gewesen, und die Templer hatten mit ihren tiefen Stimmen das »Requiem Dona Ei« gesungen, einen Choral voll feierlicher Majestät. Corbett hatte in einem der Seitenschiffe gesessen. De Molays wunderschöne Lobrede auf Sir Guido Reverchien hatte ihn zutiefst bewegt. Ab und zu hatte er allerdings doch die Trauergemeinde gemustert. Die vier Kommandanten des Templerordens hatten zusammen mit dem Großmeister im Chor gesessen, die Sergeanten, Knappen und anderen Gefolgsleute im Schiff hinter dem hölzernen Lettner gestanden.
Corbett hatte versucht, sich auf die Messe zu konzentrieren, konnte aber das traurige Los des Kochs nicht verdrängen. Er fragte sich, welche der Kommandanten des Templerordens und der anderen Anwesenden ein homosexuelles Verhältnis haben mochten. Immer wieder wies Corbett diesen Gedanken als wahnsinnig von sich. Für die Betroffenen stellte er eine fürchterliche Gefahr dar. In den Augen der Kirche war Homosexualität eine Todsünde. Würden die Übeltäter gefaßt, dann mußten sie mit einem grausamen Tode rechnen. Und doch siegte seine Neugier. Beim »osculum pacis«, dem Friedenskuß vor der heiligen Kommunion, hatte er Baddlesmere und einen jungen Sergeanten am Durchgang des Lettners beobachtet. Jetzt tauschten alle den Friedenskuß, bei dem ergrauten Templer und dem jungen blonden Sergeanten meinte Corbett jedoch etwas anderes zu bemerken. Ranulf fiel es natürlich sehr schwer, die Augen in der Kirche offenzuhalten. Die Wachsamkeit seines Herrn hatte ihn jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß etwas nicht in Ordnung war, und er folgte dessen Blick. Dann beugte er sich vor.
»Gott vergebe mir, aber denkt Ihr dasselbe wie ich?«
Corbett hatte Ranulf leicht an der Schulter gefaßt und küßte ihn auf die Wange.
»Pax frater«, flüsterte er. »Friede, Bruder.«
»Et cum spirituo tuo«, antwortete Ranulf.
»Behalte deine Überlegungen für dich«, zischte ihm Corbett zu und konzentrierte sich wieder auf die Messe.
Nachdem Reverchien in der Krypta unter der Kapelle beigesetzt war, gab es eine Kollation im Refektorium, und anschließlich hatte das Turnier zu Ehren des toten Ritters stattgefunden.
»Meint Ihr, daß sie kommen werden?« unterbrach Ranulf Corbetts Überlegungen.
Corbett wandte sich vom Fenster ab. »Wenn de Molay ihnen das befohlen hat, werden sie das tun.«
»Mögen sie eigentlich alle keine Frauen?« fragte Ranulf unvermittelt.
Corbett zuckte mit den Schultern. »Nicht, daß ich wüßte. Der
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