Die Hitze der Hölle
mogeln.
»Wir brechen auf«, gab Corbett kurz angebunden bekannt. »Maltote, sattle unsere Pferde. Ranulf, hole meinen Mantel und mein Schwert, wir sehen uns unten vor den Ställen.«
»Und Ihr, Herr?«
»Ich will noch Bruder Odo treffen. Übrigens, Claverley«, rief Corbett bereits beim Hinausgehen, »was auch immer Ihr für Pläne habt, würfelt nicht mit Ranulf und kauft auch keine seiner wundertätigen Mixturen.«
Ein Sergeant der Templer führte ihn in die Bibliothek, einen langen Raum mit hohen Gewölben und Blick auf den Garten. Hier war es friedlich und kühl. Bücher bedeckten die Wände, einige waren festgekettet und mit Vorhängeschlössern versehen, andere lagen offen auf Pulten. An einem Ende waren in einem Säulengang kleine Lesenischen mit jeweils einem Tisch, einem Stuhl, einem Tablett mit Schreibzeug und einer großen Bienenwachskerze mit Metallhaube. Die Bibliothek schien menschenleer, Corbett ging langsam durch den Mittelgang, und seine Schritte hallten in dem riesigen Raum wider.
»Wer ist da?«
Corbett überkam ein Schrecken. Bruder Odo trat aus einem dunklen Winkel, in dem er über ein Manuskript gebeugt gesessen hatte. Seine eine Hand war mit Tinte befleckt.
»Sir Hugh, ich wußte nicht, daß Ihr Bücher schätzt.«
»Ich wünschte, es wäre so, Bruder.«
Corbett schüttelte Bruder Odo die Hand, und der Bibliothekar führte ihn in eine der Lesenischen.
»Alle diese Handschriften gehören den Templern«, erklärte Odo. »Zumindest dem Bezirk nördlich des Trent.« Er schaute sich nachdenklich um, sogar auf seinen Lippen fanden sich Tintenflecken. »Wir haben so viele Bibliotheken im Osten verloren. Wir besaßen sogar ein Original des Bibelkommentars des heiligen Hieronymus... Aber Ihr seid sicher nicht hierhergekommen, um mich darüber zu befragen?«
Er deutete auf einen Hocker, der neben seinem Stuhl stand. Corbett setzte sich etwas verlegen und schaute auf die Handschriften, die auf dem Tisch verstreut lagen.
»Ich schreibe eine Chronik«, verkündete Odo stolz. »Eine Geschichte der Belagerung und des Falls von Akka.«
Er zog ein Velinpapier zu sich, und Corbett betrachtete die Zeichnung: Tempelritter, an den Kreuzen auf ihren Umhängen unschwer zu erkennen, die einen Turm verteidigten. Sie schleuderten Speere und Felsbrocken auf finster aussehende Türken. Die Zeichnung war nicht sonderlich genau, die Perspektive fehlte, sie hatte jedoch eine eigene Dramatik. Darunter stand in einer winzigen Handschrift ein lateinischer Kommentar.
»Ich habe bereits dreiundsiebzig Illuminationen angefertigt«, berichtete Odo, »die Chronik soll jedoch zweihundert enthalten, ein dauerhaftes Zeugnis für die Tapferkeit unseres Ordens.«
Ein Pergament fiel vom Tisch. Corbett hob es auf. Es war beschrieben, jedoch mit seltsamen Schriftzeichen. Corbett, der Lateinisch und das normannische Französisch der königlichen Kanzlei fließend beherrschte, hielt es für Griechisch.
»Nun, welche Sprache ist das, Corbett?« frotzelte Odo. »Griechisch?«
Odo grinste und nahm das Pergament.
»Nein. Das sind Runen, angelsächsische Runen. Meine Mutter hieß Tharlestone. Sie stammte von Leofric ab, dem Bruder von Harold, der in der Schlacht von Hastings fiel. Sie besaß Ländereien in Norfolk. Seid Ihr jemals dort gewesen, Corbett?«
Der Bevollmächtigte erinnerte sich an den vergangenen November und die gefährlichen Wochen, die er im Mortlake Manor verbracht hatte.
»Ja«, antwortete er. »Aber das war kein besonders erfreulicher Besuch.«
»Ich bin dort aufgewachsen. Meine Mutter starb jung.« Die Augen des alten Bibliothekars füllten sich mit Tränen. »Sie war sanft wie ein Reh. Keine andere Frau war ihr gleich. Das war vermutlich auch der Grund dafür, daß ich in den Orden eintrat. Nun denn«, fuhr er in geschäftsmäßigerem Ton fort, »mein Großvater zog mich auf. Wir haben zusammen in den Marschen gefischt. Ich tue das heute noch gelegentlich, müßt Ihr wissen. Ich habe ein kleines Boot unten am See liegen, das ich The Ghost of the Tower getauft habe. Jedenfalls hat mir Großvater, während wir darauf gewartet haben, daß etwas anbeißen würde, Runenzeichen beigebracht, indem er sie in Rindenstückchen ritzte. Seht Ihr diese Rune, die unserem P gleicht? Das ist das W. Der Pfeil ist ein T und dieses torähnliche Zeichen ein V. Ich benutze Runen für meine Notizen.« Er nahm Corbett das Pergament wieder aus der Hand. »Niemand kann also lesen, was ich schreibe.« Er lächelte. »Womit kann
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