Die Hitze der Hölle
schlugen die Roben zurück. Darunter trugen sie Schwerter und im Gürtel Dolche. Corbett ließ sich nicht einschüchtern.
»Ihr solltet mir nicht drohen, Großmeister.«
»Ich drohe Euch nicht«, entgegnete de Molay. »Ich bin diese Intrige, diese Rätsel, die Feuer und die Morde meiner ehemaligen Gefährten allmählich leid. Dies ist eine ausgesprochene Tragödie. Ich aber bin ein Untertan Frankreichs und Großmeister des Ordens der Templer. Ich protestiere dagegen, in meinem eigenen Herrenhaus festgehalten zu werden.«
»Dann geht, wenn Ihr das wünscht, Großmeister. Aber ich muß Euch folgendes sagen: Ihr werdet alle als Verräter festgenommen werden. Und erzählt mir nichts von Baddlesmere. Er war vielleicht ein Päderast und ein Unzufriedener, aber er hat sich kein Verbrechen zuschulden kommen lassen. An dem Tage, an dem der König in York angegriffen wurde, lag er mit seinem Liebhaber in einer Kammer der Greenmantle Tavern. Er brach nach Framlingham auf, ehe ich die Drohung erhielt. Scoudas hätte ebenfalls keine Gelegenheit gehabt, mir die Drohung in die Hand zu drücken oder auf mich zu feuern, als ich durch York ritt.«
De Molay wandte seinen Blick ab. »Aber die Kartenskizze?« fragte er. »Die Drohung? Die Quittung?«
»Ja, darüber habe ich auch nachgedacht«, sagte Corbett. Er schaute Symmes von der Seite an, der seinen Dolch schon halb gezogen hatte. »Kommt Eurem Dolch nicht zu nahe«, warnte er, »und kümmert Euch lieber um Euer Wiesel.«
Symmes schaute mit seinem einen Auge auf de Molay, der kaum merklich nickte.
»Ihr wolltet uns etwas über Baddlesmere erzählen«, sagte der Großmeister.
»Baddlesmere glaubte, es handle sich bei dem Mörder um ein Mitglied dieses Ordens«, fuhr Corbett fort. »Er stellte seine eigenen Untersuchungen an. Er zeichnete die Karte. Warum, das vermag ich im Augenblick auch nicht nachzuvollziehen. Dann schrieb er die Drohung ab, um sie genauer studieren zu können. Um deutlicher zu werden, Großmeister, der Mann, den ich jage, lebt und atmet immer noch. Der arme Baddlesmere starb, um als Sündenbock dazustehen, mehr nicht.«
Alle drehten sich um, da ein Sergeant herbeigelaufen kam, sich zu de Molay hindurchdrängte und diesem etwas ins Ohr flüsterte.
»Was ist los?« fragte Corbett.
»Wir wissen nichts Genaueres«, antwortete der Großmeister. »Aber einer unserer Knappen, Joscelyn, wird vermißt. Er ist wahrscheinlich desertiert.« De Molay sah Ranulf über Corbetts Schulter hinweg an. »Sagt Eurem Diener, er soll seine Armbrust sinken lassen.« De Molay hob die Arme und schnalzte mit den Fingern. »Folgt mir bitte alle. Sir Hugh«, er lächelte entschuldigend, »Ihr seid immer noch unser Gast. Bitte nehmt heute am Abendessen teil.«
Corbett blieb stehen, während die Templer mit wehenden Umhängen davoneilten. Ihre Stiefel knirschten auf dem Kies. Maltote sank auf die Knie und stöhnte.
»Herr, diese Bücher sind so schwer wie ein Sack Steine.« Ranulf steckte die Armbrust wieder in seinen Beutel. Corbett drehte sich langsam um. Seine Beine waren bleischwer. Er bewegte vorsichtig seinen Hals, der sich verkrampft hatte. Ranulf fragte: »Meint Ihr, Baddlesmere wurde ermordet, weil er zuviel wußte?«
»Möglich«, antwortete Corbett. »Ich begreife aber immer noch nicht, wie diese Morde Zusammenhängen. Der Großmeister hat recht, wir können ihn hier nicht mehr lange festhalten.«
»Würde der König sie gefangennehmen lassen?«
»Das bezweifle ich. De Molay ist sowohl von Adel als auch ein Untertan von Philipp von Frankreich. Der König könnte sich etwas ungehalten zeigen, ihn in irgendeiner Hafenstadt festhalten und damit drohen, den Besitz der Templer zu beschlagnahmen. Aber früher oder später würde de Molay doch abreisen und beim Papst Berufung einlegen.«
»Und der Mörder wird straffrei ausgehen?«
»Diesmal, Ranulf, könnte es wirklich so enden. Aber laß uns unsere Gastgeber nicht enttäuschen. Wir sollten uns waschen und umziehen.«
Sie gingen zum Gästehaus zurück. Eine Weile las Corbett in den Folianten, die Maltote mitgebracht hatte. In den ersten Kapiteln von Bacons Werk fand er aber kaum etwas von Interesse. Er hielt das Buch in den Händen und dachte plötzlich an das, was ihm der sterbende Unbekannte im Aussätzigen-Spital gesagt hatte. Was konnte dieses Geständnis zu bedeuten haben. Die Behauptung, daß einer von den Templern vor so vielen Jahren in Akka feige gewesen war. Hielt sich dieser Feigling jetzt in Framlingham auf?
Weitere Kostenlose Bücher